Fragen an Aaron LangenfeldTheologie für die Gegenwart

Was beschäftigt Lehrer und Lehrerinnen der Theologie? In dieser Reihe antworten Theologen und Theologinnen aus verschiedenen Fachrichtungen und Hochschulen, was sie persönlich und im Beruf bewegt.

Was ist Ihr Lieblingsort?

Ein kleines Küstendorf auf der Isle of Skye. Leider wusste ich weder damals noch heute, wie der Ort heißt.

Woran forschen Sie gerade?

Am Begriff des „Katholischen“ im Horizont gegenwärtiger Herausforderungen der Kirche. Gleichzeitig ist aber auch ein kleines Buch unterwegs, in dem ich mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen an neuen Aneignungen klassischer Argumente für die Existenz Gottes arbeite. Hier habe ich mich am ontologischen Argument Anselms von Canterbury versucht.

Mit welcher Person aus Gegenwart und/oder Geschichte würden Sie gern einmal diskutieren? – Worüber?

Die Antwort auf diese Frage wechselt bei mir ständig. Derzeit wäre ich gerne Hörer in Schellings Berliner Vorlesung zur Philosophie der Offenbarung gewesen. Das hätte den Vorteil, dass man unter Umständen auch noch Alexander von Humboldt und Søren Kierkegaard getroffen hätte.

Meine aufregendste Bibelstelle...

Vielleicht ist das etwas erwartbar, aber für mich ist 1 Petr 3,15, die Aufforderung, jederzeit bereit zu sein, Rechenschaft über den Glauben zu geben, wenn man gefragt wird, im wissenschaftlichen, aber auch im privaten Alltag eine sehr konkrete Motivation und immer wieder neuer Denkanstoß.

Mein „Herzens“-Gebet...

Die „Worte ins Schweigen“ von Karl Rahner.

Was ist für Sie das drängendste theologische Problem der Gegenwart?

Die Frage nach dem Selbstverständnis der Kirche in spätmodernen Gesellschaften.

Welchen Atheisten schätzen Sie?

Wenn man als Christ heute nicht gelernt hat, Atheisten zu schätzen, ist es vermutlich schwer, Freunde zu finden. Allerdings handelt es sich ja in den allermeisten Fällen eher um Gewohnheitsatheisten, die sich vor allem deshalb so bezeichnen würden, weil sie seltsame Vorstellungen davon haben, was Christen glauben. Schätzen tue ich deshalb insbesondere einen Atheismus, der die Konsequenzen seines eigenen Anspruchs begreift, wie es etwa bei Friedrich Nietzsche der Fall ist. Ein solch radikales Denken bleibt dauerhaft Herausforderung und Lernort der Theologie.

Wann waren Sie zuletzt im Kino? In welchem Film?

Coronabedingt war ich lange nicht mehr im Kinosaal. Der letzte erwähnenswerte Film – eigentlich gucke ich eher Serien –, den ich im „Heimkino“ angeschaut habe, war Whiplash von 2014. Ein fulminantes Meisterwerk über den Weg eines aufstrebenden Schlagzeugers und seines despotischen Lehrers, der genial von J. K. Simmons gespielt wird. Der Film inszeniert auf provokative und verstörende Art und Weise Demütigung und Erniedrigung als Bedingung künstlerischer Größe und einer radikalen, sinnstiftenden Freiheit, die aus Verachtung erwächst.

Und im Theater?

Das war entweder „Hamlet“ oder „Tod eines Handlungsreisenden“ im Schauspiel Köln – Ersteres eine verwirrende, Zweiteres eine exzellente Inszenierung, die mir einen nicht französisch geprägten Existentialismus etwas näher erschlossen hat. Hier steht – ähnlich vielleicht wie bei Max Frisch – die Ökonomie als anthropologisches Sinnproblem unmittelbarer im Fokus.

Wer ist Ihr Lieblingsdichter/schriftsteller?

Alles in allem vermutlich Tolstoi. Die Lektüre von „Krieg und Frieden“ hat tatsächlich auch entscheidenden Einfluss auf meine wissenschaftliche Biografie genommen, insofern mich die Geschichtsversessenheit des Romans von meinen eher idealistisch geprägten Wurzeln weggezogen hat. In der neuesten Literatur zählt Karl Ove Knausgard zu meinen Favoriten. Sein autobiografisches Romanprojekt gehört zu dem besten, was ich bisher gelesen habe. Wenn es eher ums Abschalten geht, lese ich ausgesprochen gerne Tana Frenchs irische Krimis.

Welche Musik hören Sie gern?

Mein Spektrum ist hier sehr breit, aber wenn ich es eingrenzen soll, dann vor allem Rock und die klassische Romantik.

Welches nicht-theologische Buch lesen Sie momentan?

„Die Frau in der Themse“ von Steven Price. Als Sachbuch liegt außerdem „Ein verheißenes Land“ von Barack Obama auf dem Tisch.

Und welches theologische Werk?

Derzeit lese ich kein größeres Werk, sondern diverse Texte rund um den Themenkomplex „Offenbarung und freie Vernunft“.

Wer ist Ihr theologisches Vorbild?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Bezogen auf den theologischen Stil, hat mich wohl inzwischen Karl Rahner sehr stark beeinflusst. Das Verständnis der Theologie als Wissenschaft, die sich unentwegt in immer anderen Denkkontexten entdecken muss, und die Performance dieser Bewegung in seinen Schriften ist zweifelsohne hermeneutisch und praktisch am wichtigsten für meine eigene wissenschaftliche Arbeit. Aber ich lerne oft besonders viel durch Gespräche, die dann natürlich auch von den jeweiligen Personen geprägt sind. Hier faszinieren mich Menschen, deren Denken noch nicht vollständig durch sich selbst korrumpiert ist. Das würde ich als vorbildhaft benennen.

Welcher Kirchenbau, welcher Kirchenraum gefällt Ihnen am besten?

Ich habe einen besonderen Bezug zu Sankt Engelbert in Köln-Riehl, die von Dominikus Böhm zu Beginn der 1930er-Jahre gebaut wurde. Ich habe dort geheiratet, meine erste Tochter wurde dort getauft und im ersten Lockdown der Corona-Pandemie, als auch die Spielplätze gesperrt waren, bin ich beinahe täglich mit ihr dort gewesen und habe den ganzen Raum erkundet. Die Kirche war ein wirklicher Freiraum in dieser Zeit.

Was – wo – war Ihr schönstes Gottesdiensterlebnis?

Ich weiß nicht, ob es das schönste war, aber zumindest war es sehr eindrücklich: An der Harvard Divinity School gab es eine kleine Gottesdienstfeier für die katholischen Studierenden und Lehrenden zu Allerheiligen, als ich dort für Forschungen an meiner Dissertation vor Ort war. Ich war erst einige Tage da und kannte niemanden. Bei dieser Feier im sehr kleinen Rahmen im Haus der Jesuiten habe ich zum ersten Mal richtig begriffen, Teil einer weltweiten Gemeinschaft zu sein, die mich selbstverständlich willkommen heißt. Das war in dieser Situation eine sehr bewegende Erfahrung.

Wovor haben Sie Angst?

Kürzlich ist eine Freundin von mir in ihren 30er-Jahren gestorben. Die Vorstellung, sich ein wirklich letztes Mal von meinen noch sehr kleinen Kindern verabschieden zu müssen und darum zu wissen, sie nicht aufwachsen sehen zu können, finde ich seitdem erdrückend beängstigend und real.

Worauf freuen Sie sich?

Auf eine Zeit, in der es hoffentlich wieder leichter ist, zusammen zu sein, gemeinsam zu feiern, mit Familie und Freunden zu verreisen – das fehlt derzeit sehr.

Vielen Dank für Ihre Antworten.


Aaron Langenfeld: 

Geboren 1985, Dr. theol., habil., ist Vertreter des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn. 2021 Auszeichnung der Habilitation mit dem Karl-Rahner-Preis für theologische Forschung an der Universität Innsbruck. 2015 Auszeichnung der Promotion mit dem Friedrich-Spee-Preis der Theologischen Fakultät Paderborn. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Theologische Anthropologie in der Spätmoderne, der Begriff der Offenbarung an der Schnittstelle von Dogmatik und Fundamentaltheologie sowie die Komparative Theologie mit dem Schwerpunkt auf soteriologische Konzepte.

Zuletzt erschienen ist von ihm „Frei im Geist. Studien zum Begriff direkter Proportionalität in pneumatologischer Absicht“ (Innsbruck 2021) sowie gemeinsam mit Martin Dürnberger und Cornelia Dockter „Theologische Grundbegriffe. Ein Handbuch“ (Paderborn u.a. 2021; „Grundwissen Theologie“).

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