Auch ohne Kalten Krieg setzt sich der geostrategische Kampf um Einfluss und Oberhoheit fort, verschärft im Begehren um die knappen Ressourcen der Zukunft. Im Ukrainekonflikt prallen historische, kulturelle und politische Ansprüche aufeinander. Russland tritt unter dem verschlagen-trickreichen, monomanischen Putin unbeirrbar als Aggressor auf. Doch hat der Westen unter der Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten seinen Einflussbereich nach Osten sehr wohl massiv ausgeweitet. Die Spannungen und Spaltungen innerhalb der ukrainischen Bevölkerung, die sich je nach sozio-ökonomischen Vorteilen und Benachteiligung sowie kulturellen Vorlieben eher westlich oder russisch orientiert, geben der Krise unaufhörlich Nahrung. Die Abspaltung der orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats vom Moskauer Patriarchat und die Anerkennung der Autokephalie durch Konstantinopel hat dabei alles andere als friedensstiftend gewirkt. Im Osten spielt das Kirchliche und Nationalkirchliche nach wie vor eine bedeutende Rolle.
Mal offen, mal versteckt
Die Mächte sichern sich ihre Einflusssphären mal mehr offen, mal mehr versteckt. Moskau nutzt seine militärische Stärke, Washington tat das gleichfalls, etwa in Lateinamerika, im Mittleren und Fernen Osten. Gewichtiger aber sind seine „geheimen“ geistigen Verführer in Gestalt seiner Konsum- und Werbemacht, seiner popindustriellen, digital-technischen sowie medialen Power, insbesondere seiner Mega-Konzerne. Amerikas Trends und Lebensstile bemächtigen sich stets Europas, wie man zuletzt an politischer Korrektheit, Diversitäts-, Identitäts- und Gender-Moden sehen konnte. China sichert sich bevorzugt auf leisen Sohlen die Anbindung Asiens, Afrikas, Europas, ja Amerikas mit Handel und Investments über die „Neue Seidenstraße“.
Religiöse Offensive mit Rückzug
Auch Religionen stehen nicht abseits. Der Hinduismus bedrängt in Indien den Islam und die christlichen Minderheiten. Der Islam expandiert dschihadistisch. Nur das Christentum wirkt gelähmt, gegenüber der Säkularisierungsgewalt auf dem geistigen Rückzug, am stärksten im Abendland. In Afrika versucht die russische Orthodoxie die in der Ukraine erlittene Schmach dadurch auszugleichen, dass sie neben dem griechischen Patriarchat von Alexandrien und ganz Afrika ein eigenes Missions-Territorium errichtet und Gläubige wie Priester abwirbt. Hierzulande soll die Bedeutung der Kirchen unter der „Ampel“-Regierung immer unverhohlener weiter verringert werden. Ein Kulturkampf um die geistige Hoheit deutet sich an, geführt über Geld, Arbeitsrecht, Lebensethik und Verantwortungsgemeinschaften. Schon mischt sich der Staat in die kirchliche Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs ein, obwohl er unfähig ist, da das eigene säkulare Haus zu bestellen. Das Menschheitsspiel von Stärke und Schwäche endet nicht. Unter anderem Gewand erweist sich die neue Weltordnung als die alte.