Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass der Aschermittwoch in vielen katholischen – und inzwischen auch evangelischen – Gemeinden Künstlerinnen und Künstlern gewidmet ist. Reicht das schlichte Aschekreuz auf der Stirn nicht, um die stille Erinnerung an Tod und Sterblichkeit wachzuhalten? Braucht es da noch Gemälde, Musik oder Tanzeinlagen? Tatsächlich ist der „Aschermittwoch der Künstler“ aber von Anfang an eng mit der Mahnung verknüpft, das Leben nicht für selbstverständlich zu nehmen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der „Asche“ des kriegszerstörten Europas, rief der französische Schriftsteller und Diplomat Paul Claudel den ersten „Aschermittwoch der Künstler“ ins Leben. Er wollte den Grundstein für einen spirituellen Neuanfang legen und mit seiner Kunst zeigen, dass ein Europa des Friedens möglich ist. Dass Hass, Gewalt und Krieg nicht das letzte Wort haben müssen.
Heute, wo sich an der Grenze Europas eine neue Eskalation anbahnt, wo wieder nur die stumpfe Logik der Gewalt zu zählen scheint, ist der „Aschermittwoch der Künstler“ so wichtig und aktuell wie nie. Wenn sich Menschen, die das Glück hatten, nie einen Krieg mitzuerleben, plötzlich fragen, wie sie im Fall der Fälle reagieren würden, wenn sie sich von Kriegsrhetorik aufstacheln lassen und beginnen in „gut und böse“-, „Freund und Feind“-Kategorien zu denken, kann die Kunst helfen, neue Impulse zu geben. Sie ermöglicht uns, die Perspektive zu wechseln, weil sie die Welt nicht zeigen muss, wie sie ist, sondern wie sie sein könnte.
Bei vergangenen Aschermittwochsansprachen wurden Kunstschaffende gelegentlich auf eine Stufe mit biblischen Propheten gestellt. Ist das übertrieben? Oder müssen wir uns nur wieder daran erinnern, wie Propheten gegen die Kriegslogik der Mächtigen argumentiert und neue Wege in scheinbar aussichtslosen Situationen aufgezeigt haben. Wer Kunst schafft, „öffnet das Herz für die größeren Zusammenhänge jenseits und inmitten aller Absurdität der Welt“, heißt es in einem Aschermittwochsbeitrag aus dem Erzbistum Köln. Und was könnte absurder sein als ein Krieg?