75 Jahre ACKÖkumene im Dauermodus

Seit 75 Jahren bringt die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Gläubige verschiedener Konfessionen ins Gespräch. Doch mit Blick auf das Schneckentempo im ökumenischen Dialog stellt sich die Frage: Was nutzen solche Gremien?

Über Jahrzehnte kulminierte die ökumenische Praxis in Deutschland in der sonntäglichen Frage gemischtkonfessioneller Familien: Wohin geht’s heute, zum evangelischen oder katholischen Gottesdienst? Das hat sich längst geändert. Die Ökumene ist bunt und in den Pfarrgemeinden tief verwurzelt. Unzählige ökumenische Gebetsinitiativen, Ferienlager, Bibeltage und Sozialprojekte haben geholfen, die Angst vor den „Anders-“, um nicht zu sagen „Wüstgläubigen“ in die Einsicht zu verwandeln, dass uns weit mehr verbindet als trennt.

Eine der wichtigsten Antriebskräfte der ökumenischen Idee war und ist die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Im Vorfeld der Gründungsversammlung des Weltkirchenrats 1948 ins Leben gerufen, feiert sie am 10. März ihr 75-jähriges Jubiläum. Die Vereinigung umfasst heute 17 Mitgliedskirchen, darunter evangelische, katholische, orthodoxe, anglikanische und freikirchliche. Hinzu kommen acht Gastmitglieder wie die Neuapostolische Kirche und fünf Organisationen mit Beobachterstatus wie die Evangelische Allianz in Deutschland.

Wo die ACK zusammentrifft, wird aus der abstrakten Vielfalt der Konfessionen augenfällige Realität: Da stehen Soutane, Talar und Albe, Männer und Frauen gemeinsam um den Altar. Bäffchen und Stola, goldene Brustkreuze, Vollbärte und verschiedenste Kopfbedenkungen buhlen um Aufmerksamkeit. Doch wem nützen solche Zusammenkünfte außer dem Selbstwertgefühl der Beteiligten?

Der ökumenische Dialog tritt seit Jahrzehnten auf der Stelle – zumindest was die offiziellen Verhandlungen betritt. Die hierarchischen Großkaliber des römischen Katholizismus und der osteuropäisch dominierten Orthodoxie torpedieren praktische Vorstöße wie theologische Vermittlungsversuche regelmäßig mit dogmatischer Sturheit: kein gemeinsames Abendmahl, keine gegenseitige Anerkennung der Ämter. Was sind Gremien wie die ACK da mehr als eine durch widrige Umstände erzwungene Beschäftigungstherapie – getreu dem wohlfeilen Motto: Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis? Ökumene im Dauermodus, ohne Rücksicht auf Verschleiß?

„Die Einheit der Kirche ist eine Frage auf Leben und Tod für die Christenheit.“ Auch dieser Satz hat Jubiläum. Vor 40 Jahren haben ihn die Theologen Rahner und Fries ihrer Streitschrift Einigung der Kirchen – reale Möglichkeit vorangestellt. Von der Kircheneinheit sind wir weit entfernt, doch die Mahnung gilt mehr denn je. Will das Christentum in einer zunehmend säkularen Gesellschaft überhaupt wahrgenommen werden, muss es mit einer Stimme sprechen – persönliche Ermüdung hin oder her.

Hier liegt die zentrale Aufgabe und grandiose Chance ökumenischer Gremien: Fernab von Hierarchien und konfessionellen Streitereien können sie ein Sprachrohr in die Gesellschaft sein. Dass sich diese Rolle nicht auf innerkirchliche Themen beschränken muss, hat der Vorsitzende der ACK, Erzpriester Radu Constantin Miron, beim ökumenischen Gottesdienst zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine eindrucksvoll gezeigt: „Wenn ich den Krieg ausrufe, wenn ich auf mein Koppelschloss ‚Gott mit uns‘ schreibe, wenn ich von der ‚Heiligkeit‘ des Angriffskrieges spreche, pervertiere ich den guten Schöpfergott zum Kriegsherrn.“ Wo ökumenisches Ringen zu solcher Klarheit führt, ist es jede Mühe wert.

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