Erleichtert und zufrieden wirkte Bischof Georg Bätzing, als alles vorüber war. Das Präsidium, das sich am Ende der fünften Synodalversammlung den wartenden Journalistinnen und Journalisten für eine letzte Pressekonferenz stellte, versuchte mit großen Worten zusammenzufassen, was hinter allen lag. „Kein zahnloser Tiger“ sei der Synodale Weg, so Bätzing, er sei die „Konkretion dessen, was Franziskus mit Synodalität meint“. Vom Synodalen Weg als „Maschinenraum“ konnte man hören, der nun der „Motor“ werden solle (Generalsekretär Marc Frings). ZdK-Vize Thomas Söding sah sich sogar veranlasst zu verkünden, die „Tore zum Weiheamt der Frau standen und stehen weit offen!“. Und dass der Gegenwind gegen das Beschlossene nur die „Reaktion auf die Geisteskraft“ sei, die auf dem Synodalen Weg zu spüren gewesen wäre.
„Dreieinhalb Jahre waren nicht genug. Ich habe gerade bei dieser fünften Synodalversammlung nochmal deutlich gemerkt: Es geht um eine große Veränderung, die diese Kirche noch VOR sich hat. Sie wird nicht an ihr vorbeikommen, wenn sie ins 21. Jahrhundert kommen möchte.“ Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Synodalen Wegs)
Es lag an ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp, hier Wasser in den Wein zu schütten. Sie habe sich mehr gewünscht, so die oberste Laienvertreterin. Der Weg sei ein „Ausdruck des noch nicht Erreichten“, er fange gerade erst an. Gleichwohl gebe es große Veränderungen, die man gar nicht hoch genug schätzen könne. Eine völlig neue Gesprächskultur sei entstanden. Auch wenn es nur Millimeter um Millimeter vorangehe. Es werde Ungleichzeitigkeiten geben in den 27 deutschen Bistümern und in allen Diözesen der Welt, wie es sie schon immer gegeben habe. Was sie, die sich seit den 80ern für das Priestertum der Frau einsetze, unzweifelhaft frustriere. Und sie mache sich auch keine Illusionen, dass sich die Austrittszahlen durch die Frankfurter Versammlungen irgendwie ändern würden.
„Die Entscheidungen, die Sie getroffen haben, müssen mit Mut und Demut weiter verfolgt werden. Ich freue mich darauf, dass die erste Generalversammlung der Weltsynode durch den besonderen Beitrag bereichert werden wird, den die Kirche in Deutschland der Weltkirche als Geschenk anbietet.“ Bischof Shane Mackinlay (Gast, Sandhurst/Australien)
Welcher Geist hatte also in Frankfurt geweht? Die Stimmung blieb eine ambivalente nach dieser fünften und vorerst letzten Versammlung des Synodalen Weges. Die mediale Aufmerksamkeit im Vorfeld war eine immense gewesen, ebenso wie die Erwartungshaltung aus verschiedensten Richtungen. Noch auf der vorangestellten Pressekonferenz der Bewegung „Wir sind Kirche“ hatten Vertreterinnen von Maria 2.0 die Synodalversammlung als „letzte Chance“ für die Kirche bezeichnet, eine Form von Kirche, die unzweifelhaft an ihr Ende gekommen sei. Traditionalistische Gruppierungen wie Maria 1.0, aber auch akademisch-kritische Stimmen hatten nicht weniger als ein Schisma erwartet. Beide Extrempositionen sollten enttäuscht werden. Während erstere Gruppierung ausgerechnet zusammen mit den Schismatikern der Piusbruderschaft am Samstag eine Marienandacht unter dem Motto „Nein zu Häresie und Schisma!“ vor dem Tagungsgebäude veranstaltete und sich ansonsten mit einem wirren Tweet über „satanische“ Aufführungen im Frankfurter Dom der Lächerlichkeit preisgab, wirkten die radikalen Reformer erstaunlich kleinlaut. Der BDKJ-Vorsitzende Gregor Podschun durfte zwar verkünden, dass nun das „Patriarchat zerschmettert“ würde, aber der Geist von Frankfurt war ein anderer. Kompromisse, Glättungen, vorsichtige Schritte prägten die Versammlung, die zeitweise wie in Watte gepackt wirkte. Einen Eklat wie auf der vierten Versammlung, als der Grundlagentext zu „Leben in gelingenden Beziehungen“ keine Mehrheit fand, wollte man unbedingt vermeiden. Und so wurden die wirklich kritischen Momente und Entscheidungen, bei denen die Versammlung hätte kippen können, mehr oder minder elegant umfahren.
„Erstaunt hat nicht nur mich, dass kritische Anmerkungen aus anderen Teilkirchen … kaum erkennbar aufgegriffen beziehungsweise sogar uminterpretiert wurden. Ich hätte zumindest bei den wiederholten Interventionen aus Rom ihre ernsthafte Annahme erwartet.“ Raphaela Pallin (internat. Beobachterin, Wien)
Papst Franziskus hatte im Vorfeld deutlich gemacht, wo seine roten Linien lägen. Und so wurde der Handlungstext über die Einrichtung synodaler Räte auf Diözesanebene vertagt und auf den noch zu gründenden Synodalen Ausschuss verschoben, als klar wurde, dass der vorliegende Text so vielleicht keine Mehrheit finden würde. Auch die Bischöfe hatten nach ihrer Dresdner Versammlung überraschend noch Änderungen an mehreren Texten eingefordert, die für viele Synodale eine „Verwässerung“ der ursprünglichen Absichten darstellten. Doch wurden die Änderungen von der Synodalversammlung, wenn auch widerwillig, akzeptiert. Das Scheitern eines Textes wollte man nicht mehr erleben. Und knapp entging man auch der Peinlichkeit, ausgerechnet die beiden Texte über die Rolle von Frauen in der Kirche aus Zeit- und Organisationsgründen einfach zu übergehen und zu vertagen. Die empörten Widerworte vieler Frauen zeigten Wirkung.
Auf der Haben-Seite stehen nun, medial sicherlich prominent gesetzt, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die Ausweitung der Laien- (und damit auch Frauen-)Predigt, der Einsatz der Bischofskonferenz für den Diakonat der Frau. Und in Rom solle der Pflichtzölibat für Priester überprüft werden. Man muss hinzufügen, dass für den ersten Punkt bis 2026 erst einmal ein Ritus gefunden werden soll, die Laienbeichte wiederum keine Unterstützung fand und in Rom schon zweimal Kommissionen über den Diakonat der Frau beraten haben. Somit stehen die Entscheidungen des Synodalen Weges unter dem Vorbehalt der römischen Reaktion und sind daher zumeist Anregungen, Wünsche und keine Forderungen. Viel wichtiger aber waren die beiden mit überragender Zustimmung angenommenen Texte zur Missbrauchsprävention und zum Schutz vor sexuellen Übergriffen auf Erwachsene. Was ja ursprünglich der Ausgangspunkt für die gesamte Unternehmung Synodaler Weg gewesen war. Hier zeigte sich die Versammlung einig und effektiv.
„Ein paar mühsame Schritte in die richtige Richtung: ja. Aber bisher kein Paradigmenwechsel, keine Zäsur, nichts, was wirklich weh tut oder außerhalb des geltenden Rechts wäre. Trotzdem will ich weiter an einer menschenwürdigen Kirche arbeiten. Weil ich immer noch glaube, dass Kirche anders kann.“ Julia Knop (Professorin für Dogmatik, Synodale)
Ein Vorhaben, das den medialen Wind um den Synodalen Weg stets begleitet hatte, wurde aber nicht einmal mehr erwähnt, sobald der Text über Synodale Räte hintangestellt wurde: das Vorhaben eines „systemischen“ Umbaus der katholischen Kirche. Trotz der Frankfurter Trippelschritte blieb am Ende sehr vieles so, wie es immer gewesen war. Das konnte auch das frohgemute Präsidium am Abschlusstag kaum verhehlen. Immerhin hatte man nun einmal über alles miteinander geredet, viele Themen waren aus dem Graubereich gekommen. Und manch Teilnehmer, Bischof wie Laie, mag als anderer herausgekommen sein, als er in die Beratungen hineinging. Der Synodale Weg sei ein „Lernprozess“, so hörte man allerorten. Und als Prozess muss man ihn auch verstehen, nicht als Revolution. Das mag für viele Beobachterinnen und Beobachter frustrierend sein. Am Ende ist es ein sehr katholisches „Sowohl-als-auch“ und eine Ansammlung von Ungleichzeitigkeiten. Und dennoch: Angesprochen darauf, ob sie bei den Sitzungen in Frankfurt die Anwesenheit des Heiligen Geistes gespürt habe, antwortete eine junge, fortschrittlich orientierte Synodale ohne lang zu überlegen: Ja, der Geist sie hier gewesen. Bei jeder der Versammlungen. Und das gebe ihr Kraft und Zuversicht für ihren Glauben. Es geht also weiter.
Der Kommentar von CHRIST IN DER GEGENWART-Chefredakteur Stephan Langer
Der größte Erfolg des Synodalen Wegs ist, dass er halbwegs unfallfrei zu Ende gebracht wurde. Wäre man mit einem Knall auseinandergegangen, würden sich all die Kritiker und Spötter bestätigt fühlen: Da seht ihr’s doch! Die Deutschen mit ihren diskursiven Anwandlungen zu ihren „Sonderthemen“ stürzen die Kirche ins Chaos ... Dass dies abgewendet wurde, ist nicht zu unterschätzen, vor allem als Botschaft in die Weltkirche.
Darüber hinaus bleibt wenig Zählbares. Die Texte wurden unendlich weichgespült. Vieles Kritische hat man durch Vertagung umschifft: Sankt Nimmerlein lässt grüßen. Was Rom vorgelegt wird, ist fast schon unterwürfig formuliert – man müsse „klug“ vorgehen, mahnten mehrere Bischöfe. Gepflogenheiten wie bei Hofe in früheren Jahrhunderten...
Et voilà, das ist unsere Kirche im Jahr 2023! Wie wir mit dem Tempo weiterkommen und wohin wir damit gelangen, kann sich jede und jeder selbst ausrechnen.
Vier Fragen an Teilnehmende des Synodalen Wegs
Andreas Lob-Hüdepohl (Synodaler, Professor für Theologische Ethik, Berlin)
Mein wichtigster Moment auf dem Synodalen Weg:
Die überraschend breite Zustimmung zum achtsam- anerkennenden Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt.
Was war in den drei Jahren die größte Enttäuschung?
Das manches Mal verbissene Festhalten an tradierten Überzeugungen, nur um die eigene Macht nicht zu gefährden. Das brüsk-abweisende Verhalten seitens der römischen Kurie halte ich für unerträglich und einer katholischen Weltkirche für unwürdig. Besonders für die Betroffenen sexualisierter Gewalt muss die hartnäckige Leugnung ihrer systemischen Ursachen als weiterer Schlag ins Gesicht wirken.
Wer ist mein synodaler Favorit/meine Favoritin?
Die Gruppe der Vielen, die sich richtig bewegt haben – durch neue Einsichten ebenso wie durch die Suche nach dem verbindend Gemeinsamen.
Was ist meine Hoffnung für die Zukunft?
Kirche ist kein Selbstzweck. Deshalb: Dass wir uns jetzt wieder verstärkt den großen Herausforderungen der Menschheit widmen können – der Gewalt gegen Menschen in Form von Krieg, Armut, Ausgrenzung wegen ihres Geschlechts, ihrer Kultur, ihrer Religion oder ihres Alters; aber auch der Gewalt gegen Gottes gesamte Schöpfung etwa in Form der Klimakrise oder der Vernichtung unserer Lebensgrundlagen. Dann wird das Vertrauen in Gottes heilsame Gegenwart, also unser aller Glaube, wieder wachsen.
Susanne Schuhmacher-Godemann (Synodale, Berufsverband d. PastoralreferentInnen, Limburg)
Mein wichtigster Moment auf dem Synodalen Weg:
Die Aufnahme der Vertreterinnen und Vertreter des Betroffenenbeirats Bischofskonferenz in die Synodalversammlung, wenn auch nur als nicht-stimmberechtigte Mitglieder.
Was war in den drei Jahren meine größte Enttäuschung?
Nichts bewegt zu haben in Richtung Machtkontrolle und Gewaltenteilung. Nichts erreicht zu haben für die Frauen – Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geht weiter. Über die Forderung nach Zugang zum Diakonat kann ich mich nicht freuen, so weit waren wir vor 50 Jahren auch schon mal.
Wer ist mein synodaler Favorit/meine Favoritin?
Meine Kollegin Regina Nagel, die für den Handlungstext „Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche“ gekämpft und sich im Frauenforum unermüdlich für Geschlechtergerechtigkeit eingesetzt hat.
Was ist meine Hoffnung für die Zukunft?
Transparente und unabhängige Strukturen in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt; Abbau von missbrauchsbegünstigenden Strukturen.
Bruder Bruno Robeck OCist (Synodaler, Dt. Ordensoberenkonferenz)
Mein wichtigster Moment auf dem Synodalen Weg:
Der wichtigste Moment für mich war am Ende der letzten Synodalversammlung, als ich spürte, dass alle durch die Kompromisse aufeinander zugegangen sind, und als deutlich wurde, dass es der überwältigenden Mehrheit der Versammlung darum ging, das gemeinsame Suchen stärker zu gewichten als die trennenden Ansichten.
Was war in den drei Jahren meine größte Enttäuschung?
Die größte Enttäuschung war zu erleben, dass sich einige wenige demonstrativ vom gemeinsamen Ringen abgewandt hatten und dass es nicht gelang, zu ihnen Kontakt aufzunehmen.
Wer ist mein synodaler Favorit/meine Favoritin?
Mir fällt keine besondere Person ein. Vielmehr habe ich viele hoch motivierte und hoch kompetente Menschen kennengelernt, wofür ich sehr dankbar bin.
Was ist meine Hoffnung für die Zukunft?
Meine große Hoffnung und mein großer Wunsch ist, dass die verschiedenen Menschen mit den unterschiedlichsten Ansichten jetzt weiter im Gespräch bleiben, und zwar nicht nur in neuen institutionellen Kontexten, sondern auch in der normalen menschlichen Begegnung und im gemeinsamen Unterwegssein als ein Volk Gottes.
Maria Flachsbarth (Synodale, KDFB)
Mein wichtigster Moment auf dem Synodalen Weg:
Den einen wichtigsten Moment gab es nicht. Doch immer wieder wichtige Momente bei der Verabschiedung wichtiger Texte, insbesondere zum Thema Frauen und sexuelle Vielfalt.
Was war in den drei Jahren meine größte Enttäuschung?
Die größte Enttäuschung war das Scheitern des Grundtextes zur sexuellen Vielfalt.
Wer ist mein synodaler Favorit/meine Favoritin?
Da muss ich drei nennen: die queeren Personen, die sich trotz allem nicht haben entmutigen lassen, die Ordensschwestern, die immer wieder selbstbewusste und mutige Botschaften der Erneuerung gegeben haben, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, dem es gelungen ist, sowohl seine Mitbrüder im Amt auf dem Synodalen Weg zu halten als auch den Gegenwind aus Rom auszuhalten.
Was ist meine Hoffnung für die Zukunft?
Ich hoffe, dass sie sich bewegt, unsere Kirche, um geschwisterlich und authentisch den Menschen von heute die Frohe Botschaft zu verkünden und spirituelle Heimat zu bieten.
Lukas Nusser (Synodaler, ZdK/BDKJ/KjG)
Mein wichtigster Moment auf dem Synodalen Weg:
Gemeinsam mit anderen Synodalen abends den Tag und den Prozess reflektieren.
Was war in den drei Jahren meine größte Enttäuschung?
Durch Enthaltungen und fehlende Wortmeldungen entziehen sich einige Bischöfe der Debatte. Dies lässt vermuten, dass sie lieber in ihrer eigenen Welt verbleiben, als sich mit der Realität zu konfrontieren.
Wer ist mein synodaler Favorit/meine Favoritin?
Ordensleute. Sie haben eine komplett andere Lebensweise als ich gewählt und dennoch zeigen sie ein bemerkenswertes Verständnis für die reale Welt.
Was ist meine Hoffnung für die Zukunft?
Bischöfe erkennen, dass eine Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit gemeinsam mit Laiinnen und Laien unser aller Glauben stärker und wahrer macht.
Regina Nagel (Synodale, Bundesverband der GemeindereferentInnen)
Mein wichtigster Moment auf dem Synodalen Weg:
Der Moment, als der Text „Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche“ 100 Prozent Zustimmung erhielt.
Was war in den drei Jahren meine größte Enttäuschung?
Dass das Forum Frauen und die Synodalversammlung insgesamt nicht den Mut hatten, eindeutig Geschlechtergerechtigkeit zu fordern. Durch die Orientierung an der 2/3-Grenze der Bischöfe wurden wir zu Komplizinnen und Komplizen des Systems.
Wer ist mein synodaler Favorit/meine Favoritin?
Julia Knop. Ihre Klugheit und ihr Klartext beeindrucken mich.
Was ist meine Hoffnung für die Zukunft?
Ich hoffe, dass immer mehr Menschen ihren Verstand einschalten, auf ihr Herz hören und sich vernetzt für Menschen, ihre Würde und für Gerechtigkeit stark machen. So könnte ein Stück weit Wirklichkeit werden, was Christen „Reich Gottes“ nennen. Auch Katholikinnen und Katholiken können Teil dieser Bewegung sein.