Weit über 150.000 Familien hierzulande sind auch in diesem Jahr wieder auf den Weg zur Erstkommunion ihrer Kinder eingeladen. Der Anteil der katholisch getauften Kinder, die dieses Angebot annehmen, liegt immer noch bei einem sehr hohen Prozentsatz. Nach welchem Konzept die Vorbereitung läuft, unterscheidet sich indes landauf, landab erheblich. In einigen Kirchengemeinden werden die Kinder in wöchentlichen Gruppenstunden vorbereitet. Dabei begleiten sie entweder Eltern oder andere Ehrenamtliche als katechetische Erwachsene, manchmal auch Hauptamtliche aus der Pastoral. Bei elterlichem Engagement unterstützen in der Regel Hauptamtliche die Katechetinnen und Katecheten bei ihren Aufgaben.
Nicht erst die Corona-Pandemie hat die Vorbereitungswege vielfältiger gemacht. Oftmals sind es die Alltagsbedingungen von Kindern und ihren Eltern, welche die traditionelle Form der wöchentlichen Gruppenstunden haben auslaufen lassen: Grundschulen mit Nachmittagsbetreuung, Nachmittagsunterricht sowie die Trainingszeiten in Sport- und Musikvereinen lassen kaum Zeitfenster, um noch einen weiteren wöchentlichen Termin einzuschieben. Daher sind viele Kirchengemeinden zu anderen Konzepten übergegangen. Sie bieten die Erstkommunionvorbereitung beispielsweise in Form von Weg-Gottesdiensten an. Hier erleben Kinder, die zuvor vielleicht noch nie eine Eucharistie mitgefeiert haben, die Rituale und Gebete, die Gottesdienste ausmachen. Teilweise gibt es dann vorher oder nachher katechetische Einheiten, in denen die Gottesdienstelemente erklärt werden. Oft sind auch die Eltern und Geschwister der Erstkommunikanten eingeladen, damit die Familienmitglieder in den Erfahrungsraum der Kinder mitgenommen werden. So hat der Nachwuchs nicht den Eindruck, dass er zu einer „Trainingseinheit“ abgegeben wird. Oft schließt sich ein gemeinsames Essen an, das auch eine Vernetzung der Familien untereinander stärkt. Eine weitere Möglichkeit sind Blockwochenenden, bei denen die Grundkenntnisse und Grunderfahrungen für die Eucharistie vermittelt werden. Es gibt auch Mischformen aus diesen unterschiedlichen Konzepten.
Bei einem scheinen sich die Organisatorinnen und Organisatoren einig: Ohne Eltern geht es nicht. Religion und Glaube können nicht wie ein Päckchen an Kinder weitergegeben werden. Sie brauchen vielmehr Erfahrungen und deren religiöse Deutung sowie religiöses Grundwissen, um sich in Sachen Religion orientieren zu können. Für eine Verankerung von Religiosität im alltäglichen Leben ist es sinnvoll und hilfreich – einige meinen auch: unabdingbar –, dass die Elternteile an diesen Prozessen beteiligt sind. Die Auseinandersetzung mit Religion muss auch in den Familien stattfinden, damit sie für Kinder lebensrelevant wird.
Wenn Eltern in den Kommunionweg ihrer Kinder einbezogen werden, dann spricht man häufig von Familienkatechese. Besonders durch den Religionspädagogen Albert Biesinger gehört dieses Konzept in Deutschland seit einigen Jahrzehnten zu den gängigen Vorbereitungswegen. Das von ihm und weiteren Fachpersonen geschriebene Buch Gott mit neuen Augen sehen. Wege zur Erstkommunion ist nun als komplett überarbeitete Neuausgabe erschienen. Neben dem bisherigen Team der Autorinnen und Autoren haben sich aus der theologischen Forschung der Grazer Bernd Hillebrand und der Tübinger Reinhold Boschki in die Überarbeitung eingebracht.
Im Buch wird der Kommunionweg als Familienbeziehungsweg entfaltet. Die Autorinnen und Autoren haben zahlreiche Erfahrungen aus der Familienkatechese eingebracht. Das Buch ist modern gestaltet, enthält QR-Codes zu Liedern und vertiefendem Material ebenso wie zu kompletten Abläufen für die Teamleitungstreffen, Elterntreffen und Kindergruppentreffen. Somit bietet das Buch zusammen mit den online-Materialien alles, was für die Durchführung eines Kommunionkurses benötigt wird. Die Texte sind kindgemäß, die Einheiten klar aufgebaut und die Einführungstexte für Eltern einladend und bestens verständlich. Die Illustrationen von Barbara Jung sind diversitätsbewusst. Sie zeigen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Väter am Herd und Patchworkfamilien. Die Geschichten aus dem Alltag knüpfen an der Lebenswelt vieler heutiger Kinder an. Die verwendeten biblischen Erzählungen und Liedtexte zeigen Facetten der christlichen Vorstellung eines liebenden und barmherzigen Gottes. Kurzum: Die Autorinnen und Autoren haben alles richtig gemacht.
Dennoch bleiben einige Herausforderungen. Das Buch hat mehr als 160 Seiten und enthält viele Wortpassagen. Es gibt damit Eltern zwar ausformulierte Texte sowie ritualisierte Abläufe an die Hand, wer allerdings im Umgang mit textreichem Buchmaterial weniger geübt ist, fühlt sich nicht so sehr angesprochen. Eltern profitieren sicher, wenn sie eigenes religiöses Wissen auffrischen oder aufbauen, wenn sie tiefere Gespräche mit ihrem Kind führen und wenn sie in der Familie gemeinsam spielerische Elemente im Zusammenhang mit dem christlichen Glauben erleben. All das braucht jedoch ein gewisses Maß an Bereitschaft der Eltern und vor allem auch Zeit. Väter und Mütter, die sich auf diese Form der Familienkatechese einlassen, berichten regelmäßig, dass sie ein solcher Kommunionweg auch als Familie weitergebracht hat.
Doch viele Eltern, die beim abschließenden Rückmeldebogen zur Kommunionvorbereitung gefragt werden, wie oft sie das Familienbuch in die Hand genommen haben, antworten: „Gar nicht“. Das hat unterschiedliche Gründe. Einige Mütter und Väter finden trotz des niederschwelligen und ansprechenden Aufbaus des Familienbuches keinen Zugang zu dieser Form der innerfamiliären Beziehungskommunikation, es mag ihnen künstlich oder aufgesetzt vorkommen. Andere lehnen es mehr oder weniger ausdrücklich ab, dass sie einbezogen werden, schließlich gehe ihr Kind zur Erstkommunion und nicht sie selbst. Sie sehen die Aufgabe der Kommunionvorbereitung ganz klar und zuallererst bei der Kirchengemeinde. („Wir trainieren unser Kind auch nicht selbst im Fußballverein.“) Und andere melden zurück, im Tagesverlauf einfach keine Zeit zu finden, wo solch eine Unterbrechung hineinpassen würde. „Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben“, heißt es im Buch in der Hinführung für die Eltern. Man möchte ergänzen: Und niemand kann dem Tag mehr Stunden geben. Hier sind nun also wieder die Verantwortlichen in der Kommunionkatechese gefragt, Wege zu finden, wie Eltern motiviert werden können, diese Oasen im Alltag für sich und ihr Kind möglich werden zu lassen. Das dafür nötige Material bietet das Familienbeziehungsbuch jedenfalls.