Mit Kindern (noch immer) über den Krieg redenIn Worte fassen, was Angst macht

Seit mehr als einem Jahr herrscht Krieg – und unsere Kinder bekommen es mit. Unser Autor erklärt, wie wir ihnen helfen können, damit umzugehen.

Mit Beginn des Krieges in der Ukraine war es für viele Familien wichtig, angemessene Worte zu finden, um dieses furchteinflößende Ereignis mit Kindern besprechen zu können. Nach über einem Jahr stehen wir vor der Frage, wie viel Aufmerksamkeit diesem Thema weiterhin bewusst geschenkt werden soll und muss.

Wir scheinen uns inzwischen daran gewöhnt zu haben, dass dieser Krieg tobt – und sehnen uns gleichzeitig nach Normalität. Aktuelle Sendungen zu den Kämpfen und Konflikten erzielen inzwischen messbar geringere Einschaltquoten. Und dies, obschon das Leid der Menschen größer ist denn je. Im Verlauf des vergangenen Jahres hat bei vielen von uns eine Überreizung eingesetzt, sodass wir vor allem nur noch dann reagieren, wenn die Geschehnisse besonders schrecklich sind oder auf unseren eigenen Alltag überzugreifen drohen. Dieser Verdrängungsmechanismus ist zwar eine nachvollziehbare (und natürliche) Strategie, um mit lange belastenden Schreckensszenarien klarzukommen. Langfristig jedoch kostet es Kraft, diese Themen auszublenden, und es wird vor allem der Wirklichkeit nicht gerecht, die Kinder wahrnehmen.

Es ist also nach wie vor wichtig, mit Kindern über den (Ukraine-)Krieg zu sprechen und dafür sensibel zu bleiben. Denn noch immer sterben dort täglich Menschen, sie werden vertrieben oder verlassen ihre Heimat aus Todesangst. In Kitas und Schulen treffen unsere Kinder auf Geflüchtete, die belastet sind und nicht selten Schreckliches erleben mussten. Kinder erfahren, dass ein Krieg nicht dazu beiträgt, Konflikte schnell zu „lösen“. Dazu braucht es Diplomatie. Kinder stellen (sich) daher nach wie vor Fragen, die schwieriger denn je zu beantworten sind. Kreisen sie doch um nicht weniger als um fundamentale Grundlagen menschlichen Miteinanders: Bedrohung, Konfliktlösung, Versöhnung oder Frieden. Es ist daher – nach wie vor – elementar, Kindern Raum zu bieten für ihre Eindrücke, Fragen oder Ängste.

Die Art und Weise, wie Erwachsene mit schwierigen Themen umgehen, hat Vorbildfunktion und gibt Kindern Orientierung. Angst, die nicht kommuniziert wird, macht hilflos und handlungsunfähig. Das Angstmachende zu verdrängen, reduziert langfristig keine Belastung, übrigens in keinem Lebensalter. Das Ängstigende für Kinder in altersgerechte, sensible Worte zu fassen und ihnen andererseits Raum zu geben, ihre Ängste auszudrücken, sind wichtige Grundlagen im gesunden Umgang mit belastenden Wahrnehmungen und Gefühlen. Dies geschieht nicht nur im expliziten Gespräch, sondern beispielsweise auch im Spielen, Malen, Beten oder Vorlesen. Dabei ist es besonders wichtig, die Ängste der Kinder wahr- und ernst zu nehmen sowie gerade den Kleinsten zu vermitteln, dass das Zuhause ein Ort ist, an dem sie sicher sind.

Auch wenn der russische Angriffskrieg in der Ukraine noch immer andauert und wir der Schreckensmeldungen müde werden, gilt es doch wach zu bleiben für die daraus resultierende Not – und unsere eigene Abstumpfung. Denn auch unsere Kinder haben ein Anrecht darauf, dass ihre Sorgen ernst genommen werden. Wo es uns möglich ist, sollten wir Antworten geben. Schlussendlich dürfen und müssen aber sowohl Erwachsene als auch Kinder wahrnehmen, wo wir angesichts des sinnlosen Leids selbst „sprach-los“ sind und Erklärungen schuldig bleiben müssen.

Wichtig zu wissen: Je nach Alter der Kinder kann das Thema „Krieg“ ganz unterschiedlich in der Familie aufkommen. Entsprechend differenziert gilt es zu reagieren.

Kinder von 0 bis 6 Jahren:

Säuglinge, Klein- und Kindergartenkinder spüren Stimmungen und Anspannungen innerhalb der Familie. Sie reagieren mit Verletzbarkeit, Verwirrung und Stress. Sie fokussieren sich auf ihre unmittelbaren Bezugspersonen, sind eventuell verunsichert und warten deren Reaktionen ab.

Schulkinder von 6 bis 12 Jahren:

In diesem Alter beginnen sich Kinder mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Nehmen Sie ihre Fragen unbedingt ernst und gehen Sie darauf ein. Schulkinder reagieren ganz unterschiedlich auf belastende Themen. Versuchen Sie mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen, um ein Bild seiner Gefühle und Eindrücke zu bekommen.

Jugendliche ab 12 Jahren:

Der Umgang von Jugendlichen mit belastenden Eindrücken ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Ein äußerliches Desinteresse muss nicht bedeuten, dass dem auch tatsächlich so ist. Vielmehr gilt es, ihnen immer wieder Gesprächsangebote zu machen.

Sorgen und Ängste werden in dieser Altersgruppe oft lieber mit Freunden oder mit Gleichaltrigen besprochen als mit den Eltern. Umso wichtiger kann es sein, unaufdringlich immer wieder Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und offen für Reaktionen zu sein.

Fünf konkrete Tipps:

1. Nehmen Sie die Sorgen und Gefühle Ihrer Kinder ernst und gehen Sie darauf ein.

2. Für Fragen der Kinder gilt: Sie müssen Kindern nicht alles sagen. Aber was Sie sagen, sollte wahr sein.

3. Sprechen Sie mit Ihrem Kind seinem Alter entsprechend über Ihre eigenen Ängste und Sorgen, ohne es dabei zu überfordern. Denn Kinder haben feine Antennen und bekommen mit, dass Sie etwas belastet.

4. Behalten Sie Alltagsroutinen bei und vermitteln Sie Zuversicht und Ruhe, um Geborgenheit und Sicherheit zu geben.

5. Vermeiden Sie unnötige Konfrontation mit dramatischen Kriegsbildern oder Filmen (zum Beispiel in Nachrichten, Zeitungen, übers Handy).

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