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Die einen sehen nur noch den Wald, die anderen nur noch Bäume. Je fremder das weite Gelände des Christlichen für viele wird, desto wichtiger sind gute Reiseführer, die Detailkenntnis mit Übersicht verbinden und im Vielerlei wichtiger Einzeldaten den Gesamtzusammenhang im Blick haben. Genau dies ist dem Wiener Theologen Christoph Benke schon einmal gelungen, als er die „Heilige Kommunion“ als Mitte des Christlichen präsentierte und später einen ebenso originellen Durchblick christlicher Glaubensgeschichte veröffentlichte.
Hier nun ist es das Ostergeheimnis, das als „Matrix für den geistlichen Weg des Individuums wie der Kirche“ durchbuchstabiert wird. Der ersttestamentlich grundgelegte Begriff Pascha wird mit dem Konzil als Zen tralbegriff des Christlichen erschlossen: Ägypten und Exil, Exodus und Auferstehung, stets und sich steigernd der rettende Durchbruch vom Tod ins Leben. Der besondere Reiz dabei ist die Konzentration auf geografische und spirituelle Orte und Räume als Brennpunkte der geistlichen Bewegung (gemäß der in den Kulturwissenschaften viel diskutierten Wende zum Raum: spatial turn). Wir Menschen sind eben Brückenwesen, ständig unterwegs und auf Überschreitung aus, zugleich aber lokal geerdet, mindestens der Oasen bedürftig und fürs Bleiben bestimmt. So wird christliche Spiritualität als „Schwellenkompetenz“ wortwörtlich begehbar. „Werdet Vorübergehende“, heißt es im apokryphen Thomas-Evangelium.
Dieses Buch kommt spürbar von weit her. Auch wer das Gelände schon gut kennt, wird neue Bezüge finden und schon Bekanntes vertiefen.
Zuerst also „Heraus und Aufbruch“ mit Abraham aus Haran und anderen, dann „Hindurch und Durchgang“ (Schilfmehr, Wüste). Selbstverständlich darf die Spannung von Hinauf und Hinab, von Aufstieg und Abstieg nicht fehlen (mit Horeb, Sinai, Tabor und all den Niederungen von Krippe bis Kreuz), schließlich die Bewegungen im Hinüber und Übergang (über den Jordan und heraus aus dem Lager beziehungsweise der Stadt und immer schon der tödliche Überschritt zum Leben in Fülle). Gut biblisch werden diese „Ortsereignisse“ metaphorisch umgriffen vom Motiv des Gartens, paradiesisch am Anfang des Ganzen und himmlisch am Ende: Inbegriff jener göttlichen Lebensfülle, der sich alles schon verdankt und auf die es anreichernd zuführt. Immer wieder eingeblendete Kurzbiografien und Originaltexte von beispielhaften Christen und Gotterfahrenen bringen zusätzlich Anschaulichkeit und Motivationskraft in den dichten Text. Nicht zuletzt dienen vier unterschiedliche Sigel bzw. Zeichen als Lesehilfe und zur Orientierung: für den jeweiligen Ort bzw. Raum, dann für das dort verortete Thema, dann für eine exemplarische Glaubensgestalt, dann ein Hinweis für spirituelle Übung und geistliche Praxis.
Indem Benke das Netzwerk biblischer Orte ausbreitet – konzentriert auf je einen Bibeltext – und darüber den Bezugsrahmen heutiger Fragen und Erfahrungen legt, entsteht ein spannendes Resonanzgefüge ganz unterschiedlicher Lektüren. Viele Grundworte des Glaubens wie Berufung, geistliche Begleitung, Unterscheidung der Geister kommen in Bewegung und neu zum Leuchten. Und, besonders hilfreich und beispielhaft: immer ist Ostern im Mittelpunkt.
Dieses Buch kommt spürbar von weit her, es verrät immense Kenntnis der Glaubensgeschichte und intensive seelsorgliche Erfahrung. Auch wer das Gelände schon gut kennt, wird neue Bezüge finden und schon Bekanntes vertiefen, für Erstreisende ist es ohnehin ein brillanter Reiseführer mit vielen praktischen Tipps. Erstaunlich, wie es Benke gelingt, den immensen Stoff übersichtlich zu konzentrieren und Luft- mit Nahaufnahmen der Glaubenslandschaft zu verbinden – ein Vademecum zum Studieren. Kurzum, gerade auf Ostern zu, ein Reisebegleiter der besonderen Art, geeignet für große Touren wie für kleine Wegstrecken, unterwegs schon in dem „Land, das ich dir zeige“.