Wir leben in schwierigen Zeiten: ein Krieg vor unserer Haustüre, die Nachwehen einer Pandemie, gesellschaftliche Spaltungen und obendrein eine drohende Klimakatastrophe. Wir alle werden auf unsanfte Weise daran erinnert, dass wir Menschen, unsere Ordnungen und vermeintliche Sicherheiten zerbrechlich sind. In solchen dunklen Phasen ist die Sehnsucht nach Licht, Zuversicht und Versöhnung in der Regel besonders stark ausgeprägt und eigentlich sollte dieses akute Bedürfnis gerade die Kirche(n) heraus- und auf den Plan rufen – gehören doch Trost, Hoffnung und die Vision von Frieden zur ihrem ultimativen Markenkern. Aber leider steckt die Ekklesia selbst in einer tiefen Krise, sodass sie entweder dieser Aufgabe kaum nachkommen kann oder mit ihrer Botschaft schlichtweg kein Gehör mehr findet. Dabei könnte sie als evangeliumsbasierte Gemeinschaft viel Hilfreiches zur gegenwärtigen Weltlage beitragen. Wie bedauerlich also, dass dieses Potenzial aktuell so überschattet und verstellt ist. Wie gut jedoch, dass sich nun zwei geistlich versierte, bibelkundige, lebenserfahrene Autoren in ihren neuen Büchern den großen drängenden Fragen nach Hoffnung und Versöhnung widmen: Rainer Schießler und Anselm Grün.
Ein Bergunfall und die anschließende Rettung durch die „Kraft der Hoffnung“ bildete die Initialzündung für Schießlers Buch Hoffnung – gerade jetzt. Die größte Quelle und „Fundgrube“ seiner Zuversicht stellt für ihn die Bibel und ihr kostbares „Reservoir an Glaubens-, Lebens- und eben Hoffnungserfahrungen“ dar und diesen Schatz will er nun angesichts einer krisengebeutelten Welt auch seinen Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben. In jedem Kapitel lädt er sie – ausgehend von einem Text aus dem Alten und dem Neuen Testament – dazu ein, in diesen Zeilen Mutmachendes und Heilendes zu entdecken, sich von Gottes Liebe getragen zu fühlen und seinen Geist der Freiheit, Barmherzigkeit und Güte in ihrem eigenen Leben wirken zu lassen.
Auch Anselm Grün hat die Zerrüttungen der Gegenwart zum Anlass genommen, um in seinem Buch Zeit für Versöhnung kraft seines Glaubens und der Bibel sowie flankiert von wissenschaftlichen Erkenntnissen Hoffnung zu spenden und bewährte praktische Wege hin zu Versöhnung aufzuzeigen. Diese ist für ihn ein Prozess, der viele Bereiche miteinschließt: Die Grundlage bildet der Friedensschluss mit sich selbst und seinen eigenen Schattenseiten. Davon ausgehend kann schließlich auch eine Versöhnung mit anderen Menschen, mit der schutzbedürftigen Natur und mit Gott gelingen. Zudem nennt er biblische und aktuelle Vorbilder für eine erfolgreiche Versöhnung, zeigt auf, wie Gräben überwunden und durch welche Schritte nachhaltige Vergebung vollzogen werden kann.
Mit Blick auf die biblischen Grundlagen, aber auch bei der Lektüre der beiden Autoren wird immer wieder deutlich: Nur wer selbst von Hoffnung und Frieden erfüllt ist, kann anderen Zuversicht spenden und unter ihnen Versöhnung bewirken. Und gerade deshalb haben beide Autoren eine klare Botschaft an ihre bisweilen zwieträchtigen christlichen Geschwister und ihre krisengeschüttelte Glaubensinstitution: Schießler warnt unter Bezugnahme auf die Heilung der blutenden Frau vor einem Ausbluten der Kirche. Um dies zu verhindern, „muss sie, wie die Frau im Evangelium, Jesus berühren“, zu ihren Ursprüngen zurückkehren, den Menschen wirklich dienen und „in der Sprache des Volkes, eindeutig, klar und verständlich“ sprechen. Auch Grün erkennt bei seinen Mitchristinnen und -christen Spaltungstendenzen, Grabenkämpfe und Verhärtungen und empfiehlt: „Anstatt sich hinter dogmatisch begründeten Positionen zu verstecken, wäre es gut, auf die Gläubigen zu hören, die sich an der Basis für die Kirche einsetzen… Versöhnung gelingt nur über das vorurteilsfreie Hören auf den anderen und das ehrliche Gespräch miteinander, in dem man gemeinsam um eine gute Zukunft ringt.“
Nur wenn uns Glaubensgeschwistern und der Kirche diese positive Wende gelingt, wenn wir im Kleinen wie im Großen die christliche Botschaft von Glaube, Hoffnung, Liebe und Frieden authentisch vorleben, entsprechend handeln und den kostbaren biblischen Weisheitsschatz in unsere krisengeschüttelte Gegenwart transportieren können, dann können wir nach Anselm Grün „mitten in dieser gespaltenen Welt zu einem Sauerteig der Hoffnung auf Versöhnung werden“ – Bedarf gäbe es gegenwärtig wahrlich genug.