Ein Mosaik – zusammengesetzt aus den Portraits vieler einzelner Personen. Auf manchen Bildern ist der Mensch nur schemenhaft zu erkennen, das Bild ist verpixelt. Schließlich werden einzelne Portraits aus dem Mosaik herausgelöst und vergrößert. Die Pixel lösen sich auf und die Person wird erkennbar. Mit diesem vielleicht eher kleinen filmischen Element wird eine große Dynamik verdeutlicht. Sie hat vor über einem Jahr mit der Kampagne #OutInChurch und der ARD-Doku Wie Gott uns schuf begonnen und seitdem vieles verändert: Queere Menschen, die hauptberuflich bei der katholischen Kirche arbeiten, machen sich sichtbar. Sie zeigen sich als die, die sie sind. Mit ihrem Coming Out verbinden sie Forderungen nach einer diskriminierungsfreien Kirche ohne Angst.
Mehr als ein Jahr nach der Ausstrahlung von Wie Gott uns schuf blickt nun eine weitere TV-Doku kritisch auf die Situation queerer Menschen in der Kirche (Katharina Kühn, Hajo Seppelt: Wie Gott uns schuf – Nach dem Coming Out; in der ARD-Mediathek). Wie ist es den Mitwirkenden seitdem ergangen? Hat sich ihre Situation verbessert? Oder sind sie weiter Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt?
Manche sprechen von einer „großen Befreiung“, die mit dem gemeinsamen Coming Out verbunden war und der Erfahrung, „freier atmen zu können“, „irgendwie vollständiger zu sein“. Ein schmerzhafter Teil des eigenen Lebens kann nun angeschaut und integriert werden. Einer, der diese Chance ergriffen hat, ist Theo Schenkel. Als Transmann und als Religionslehrer ist er seinen Kolleginnen und Kollegen noch immer nicht gleichgestellt. Statt einer Missio canonica durch den Bischof erhielt er zunächst nur eine Unterrichtserlaubnis durch den Generalvikar. Für Theo Schenkel schwingt da eine ambivalente Botschaft mit: „Du darfst bei uns mitspielen, aber ein offizielles Trikot bekommst du nicht.“
Besonders eindrücklich ist auch die Geschichte des schwulen Priesters Christoph Konjer. Er gehört zu denen, deren Bild erst nachträglich entpixelt wurde. Die weitgehend positive Resonanz auf #OutInChurch hat ihn ermutigt, sich anschließend gegenüber Familie, Freunden und schließlich seiner Gemeinde zu outen. Sein Coming Out hat bei ihm aber auch neue Fragen aufgeworfen und einen Suchprozess ausgelöst.
Die Bilanz der Kampagne #OutInChurch fällt nach einem Jahr sehr durchwachsen aus. Mit Ausnahme des reformierten kirchlichen Arbeitsrechts sind alle Forderungen nach wie vor weitestgehend unerfüllt geblieben. Als Mitarbeitende werden queere Menschen nun laut Grundordnung des kirchlichen Dienstes als Bereicherung wahrgenommen. Als Katholikinnen und Katholiken bleiben queere Menschen, die ihre Sexualität und Identität leben, weiterhin schwere Sünder. Dass dies zu vielen Widersprüchen führt, wird auch im Film deutlich, etwa wenn die Vorbereitung einer Segnungsfeier für ein queeres Paar vor allem unter der Perspektive steht, was nicht geht, was sich von einer Eheschließung unterscheiden muss...
Der Schlusskommentar des Films ist darum Bestandsaufnahme, Desiderat und Forderung zugleich: „Die katholische Kirche. Sie könnte eine Kirche der Vielfalt sein – wenn sie es zuließe!“