"Über Gott und die Welt": Pastorin und Agnostiker

Es sind berührende und sehr erhellende, schlagfertige Begegnungen: In mehrstündigen Gesprächen haben sich die 38-jährige Pastorin der freien Baptistengemeinde in Wien, Mira Ungewitter, und der 73-jährige Agnostiker Michael Horowitz, seines Zeichens Fotograf, Autor und Journalist, ausgetauscht. Dabei traten nicht wenige Gemeinsamkeiten zutage. „Mira und ich, wir lieben beide das Leben und die Menschen. Und bleiben immer skeptisch. Jeder auf seine Weise“, schreibt Horowitz

Und doch kommen beide aus verschiedenen Welten: Horowitz, Sohn einer Protestantin und eines jüdischen Agnostikers, betet nie, von der Existenz Gottes ist er nicht überzeugt. Die in Wien lebende Kölnerin Ungewitter, Tochter einer Baptistin und eines katholischen Agnostikers, wollte erst Partys organisieren, ehe in ihr der Wunsch reifte, Pastorin zu werden. Das Feiern versteht sie als eine „Lebensschule“, in der sie häufiger mit Menschen über den Glauben gesprochen habe „als andere, die nur in Kirchen sitzen“.

Die Pastorin und der Agnostiker thematisieren, was sie bewegt: ehrlich, tabulos und tiefsinnig. Es scheint, als sei ihnen kein Thema fremd: In ihren Gesprächen „über Gott und die Welt“ arbeiten sie sich ab an der von Kriegen und Katastrophen geschundenen Welt, an Abtreibung und Kinderwunsch, dem jüdischen und christlichen Humor-Verständnis, an der Trauer um verstorbene Eltern und Geschwister, an jener „Verbotskultur“, die Kirchen in den letzten Jahrtausenden kultiviert haben. Die Freuden von Lust und Liebe klammern sie ebenso wenig aus wie das fragliche Gottesbild. „Gott ist wie ein Raum und nicht nur ein Gegenüber“, findet die liberale Pastorin Ungewitter.

Dieses zwischen zwei Buchdeckel gepackte generationsübergreifende Zwiegespräch macht Mut. Beweist es doch, dass ein respektvoller und offenherziger Diskurs trotz Meinungsverschiedenheiten gelingen kann. Etwas, das im gesellschaftlichen Miteinander leider immer mehr abhanden kommt.