GlaubensweitergabeUnverzweckt, absichtslos, persönlich

Auch unter den Bedingungen einer säkularen Moderne kann die Entscheidung für den Glauben wachsen. Erfahrungen aus der Kunst-Station Sankt Peter Köln.

Distanzierte Kirchlichkeit vererbt sich nicht“, wird kritischeren Zeitgenossen gerne vorgehalten. Und wer die Aussage bedenkt, ist versucht zuzustimmen: Eine kritisch-loyale beziehungsweise (links-)liberale Kirchlichkeit erhält auf Dauer einen angestrengten, zuweilen säuerlichen Beigeschmack. Zumindest weckt sie bei der nachwachsenden Generation weder Freude noch Interesse an Religion und Glauben. Das gilt umso mehr, als sich an den diagnostizierten kirchlichen Fehlhaltungen (vgl. MHG-Studie) keine Bereitschaft zu systemischer Veränderung abzeichnet, weder in der Macht- noch in der Frauenfrage. Auch nach dem Synodalen Weg sind keine Anzeichen für Neuansätze zu erkennen – eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Die reformfreudigen Erneuerer sind müde geworden und gehen auf Distanz. Inmitten vieler Gemeinden herrschen resignative Grundstimmung und jede Menge Frustration. Beides steht im Widerspruch zum Geist des Evangeliums, wie Papst Franziskus im Blick auf Europa und auf Deutschland im Besonderen immer wieder betont. Viel zu viele sind angesichts einer chronischen Reformunwilligkeit – oder ist es Reformunfähigkeit? – mit ihrem Glauben in der eigenen Kirche heimat- oder obdachlos geworden.

Aber stimmt auch das Gegenteil der Eingangsthese? Lebt der Glaube dort auf, wo eine identifizierte Kirchlichkeit glaubwürdig gelebt wird? Einerseits scheinen die „richtig katholischen“ Angebote immer noch Menschen anzuziehen. Andererseits zeigen sich in vielen eher streng katholischen Gruppierungen deutliche Risse und nicht selten sonderweltliche bis sektiererische Phänomene. Zu sehr haben sich die Hoffnungen, die besonders unter den letzten beiden Päpsten und vielen Bischöfen hierzulande in die sogenannten Neuen Geistlichen Bewegungen gesetzt wurden, zerschlagen. Es ist klar geworden, dass auch die stramm konservativen und äußerlich „glaubensstarken“ Milieus das Katholische nicht retten. Sie führen eher ins Ghetto, weil sie die Auseinandersetzung mit der säkularen Gegenwart ausblenden.

Der Fehler liegt in der Grundannahme, in der volkskirchlich weiterhin gehegten Illusion, Kirchlichkeit ließe sich überhaupt von Generation zu Generation „vererben“. Mitnichten.Glaubensweitergabe geschieht gerade nicht durch Vererbung: Persönliche Entscheidung und geistliche Tiefe sind gefragt. Es geht um eine freie, um eine individuelle Entscheidung, die gleichzeitig verstandes- wie gefühlsmäßig abgewogen und auf ihre Lebenstauglichkeit geprüft werden kann. Aber genau dafür bieten die derzeitigen kirchlichen Zukunftsplanungen kaum Raum: Wenig wirksame und erkrankte Strukturen werden in größeren Flächen-Formaten zusammengeführt. Die Frage, inwieweit dadurch innovative Räume für Glaubensentscheidung und -vertiefung entstehen, wird fast gar nicht gestellt. Das ererbte Kirchenmodell des 19. Jahrhunderts wird nahezu ohne Innovation nur in je größeren Räumen weitergeführt. Das kann nicht funktionieren.

Aus der Erfahrungswelt der Kunst-Station Sankt Peter Köln lässt sich eine Erkenntnis aus einer nicht fusionierten, kleinen Pfarrkirche in die Diskurse um Veränderung einbringen. In Kirche als einem Ort, der sich konsequent den Strömungen der zeitgenössischen Kultur in Neuer Musik und Kunst aussetzt, kann die Erfahrung gemacht werden, dass diese Reibung mit der Gegenwart Glaubensinteresse weckt. Stramme Katholizität oder kritisch distanzierte Kirchlichkeit, die jeweils eine Absicht verfolgen, erweisen sich eher als hinderlich. Der weitgehend leere Kirchenraum der Kunst-Station Sankt Peter bildet oft den Anstoß oder Anknüpfungspunkt, die Frage nach der eigenen (Glaubens-)Überzeugung zu stellen: Was ist überhaupt, wenn da nichts ist?

Mehr als größere pastorale Räume braucht die Kirche unverzweckte Orte absichtsloser Begegnung und personaler Begleitung. Dort kann unter den Bedingungen einer säkularen Moderne die Freiheit für Entscheidungen im Glauben wachsen. Denn Kirchlichkeit ohne Mystik und Ästhetik erstickt in gnadenlosem Funktionalismus. In der geistlichen Tradition der Gesellschaft Jesu steht Sankt Peter als Kirche der Kölner Jesuiten jenseits von distanzierter oder identifizierter Kirchlichkeit als ein Ort spiritueller Offenheit: „mit Geist, mit Herz und mit praktischem Hausverstand – spiritu, corde et practice“ (Pater Jerónimo Nadal, 1507–1580). In diesem Klima kann unter säkularen Bedingungen das zarte Pflänzchen einer Entscheidung für Glaube und Kirche langsam wachsen.

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