Der Jesus-Test

Der Wochenrückblick.

Die meisten Dinge, die für Jesus wichtig waren, spielen heute für den normalen Kirchgänger keine große Rolle mehr. Und die meisten Dinge, die den normalen Menschen auf der Straße bewegen, hätten Jesus überhaupt nicht interessiert.“ Diese Sätze hat der amerikanische Theologe Miroslav Volf im Interview mit domradio.de gesagt, und seit ich sie gelesen habe, gehen sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Mein erster Impuls ist, Volf zu widersprechen: Auch die modernen Gläubigen interessieren sich ja für Krieg und Frieden, für Armut und Gerechtigkeit – Dinge, die Jesus eindeutig wichtig waren. Bei anderen Themen, mit denen wir unseren Alltag füllen, kann man da nicht so sicher sein. Vielleicht ist es eine lohnende Übung, sich bei den folgenden Nachrichten der Woche zu fragen, ob sie Jesus wohl auch interessiert hätten.

1 | Philippinen. Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos hat mehr als einer halben Million Landwirten ihre Schulden erlassen. Insgesamt geht es um einen Betrag von über einer Milliarde US-Dollar, der den Bauernfamilien oft schon seit Jahrzehnten nachhängt. „Wir wissen, dass diese Landwirte nicht über die Mittel verfügen, diese enormen Schulden zu bezahlen. Deshalb ist es richtig, der Regierung die Rechnung zu überlassen“, sagte Marcos. Jesus, der mit dem jüdischen Brauch des Schuldenerlasses im Jubeljahr vertraut war, hätte ihm vermutlich zugestimmt.

2 | Deutschland I. Andere scheinen offenbar zu viel Geld zu haben. Beim Projekt Dome Cologne NFT werden digitale Besitzurkunden von digitalen Bildern des Kölner Doms verkauft. Startpreis: 1800 Euro. Ob Jesus, der die Geschäftemacher aus dem Tempel vertrieben hat, mit der Aktion etwas hätte anfangen können?

3 | Ukraine. Apropos Vertreibung aus dem Tempel: Bei der Teilräumung des berühmten Höhlenklosters in Kiew kam es zu Rangeleien zwischen der Polizei und Gläubigen. Der Klostergemeinschaft wird vorgeworfen, im Krieg zu Russland zu halten. Außerdem seien diverse Hygiene- und Brandschutzregeln in dem verzweigten Gebäude missachtet worden.

4 | Südsudan. Dramatischer endete der Streit um den Abriss einer Kirche in der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Wie örtliche Medien berichteten, versuchten Bewaffnete, die gerichtlich angeordnete Baumaßnahme zu verhindern. Dabei wurde ein Student erschossen, vier weitere Menschen wurden verletzt. Offenbar hatte es zuvor einen Streit um das Grundstück zwischen Kirche und Regierung gegeben. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ bleibt bis heute eine Herausforderung.

5 | Deutschland II. Vor 50 Jahren öffnete die erste Caritas-Drogenberatungsstelle in Berlin. Heute suchen hier jedes Jahr etwa 1000 Menschen Hilfe. Jesus, der mit dem Kampf gegen verschiedenste Arten von „Dämonen“ vertraut war, würde wohl auch gratulieren.

6 | England. Wie steht es um das Gebet, das Jesus an seine Jünger weitergegeben hat? In der anglikanischen Kirche wurde eine Debatte um das Vaterunser angestoßen. Stephen Cottrell, Erzbischof von York und zweithöchster Repräsentant seiner Kirche, stellte in einer Rede die Frage, ob es angemessen sei, von Gott als Vater zu sprechen. Für alle, „die etwas zu sehr unter einem erdrückenden patriarchalischen Griff auf das Leben gelitten haben“, könnte das Wort belastend sein.

7 | Deutschland III. Provokanter Name, gutes Anliegen? Die evangelische Kirche in Berlin-Neukölln hat zum Zeugnistag einen „Scheiß auf Noten“-Segen angeboten. Schulkinder konnten sich unabhängig von ihren Zensuren auf ein Siegertreppchen stellen, um ihn zu empfangen. Die Botschaft: Bei Gott zählen andere Maßstäbe als Schulnoten. „Die Letzten werden die Ersten sein.“

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