Ein volles Jahr“ wirkten Barnabas und Paulus nach Auskunft der Apostelgeschichte gemeinsam in Antiochia. Dort „lehrten und verkündeten sie mit vielen anderen das Wort des Herrn“. Sie etablierten eine weltoffene Theologie und prägten so das Gesicht der Kirche von Antiochia, vielleicht mit regionaler Ausstrahlung bis hinein nach Syrien und Kilikien. Lukas erzählt (vermutlich stark stilisierend), dass Barnabas und Paulus recht bald eine erste Missionsreise unternahmen. Sie führte die beiden nach Zypern sowie in den Süden Kleinasiens – und war überaus programmatisch. Dass man hier offenkundig sehr bewusst den Weg zu den Heiden wählte, war schließlich alles andere als selbstverständlich.
Die Mission taugte nicht unbedingt dazu, in jüdisch geprägten Kontexten Begeisterungsstürme zu entfachen. Die Heiden galten doch vor allem als Fremde – nicht so sehr geographisch, sondern religiös und kultisch. Ob und inwiefern der Bundesstatus Israels Raum lässt für andere Völker, war im Frühchristentum lange Zeit zumindest umstritten und immer wieder Gegenstand heftiger Diskussion. In Antiochia wird eine klare Position eingenommen: Wenn sich in Jesus Christus die dem Abraham zuteilgewordene Verheißung, allen Völkern Segen zu spenden (vgl. Gen 12,3; 17,5; 18,18), letztgültig erfüllt hatte, gibt es keinen Grund mehr, die Verkündigungsfelder eng abzustecken. Das Evangelium soll vielmehr Verbreitung finden bis an die Enden der Erde – unter Juden und Heiden gleichermaßen.
Das war eine richtungsweisende Theologie. Sie benötigte – um nicht Episode zu bleiben – einen richtungsweisenden Beschluss. Der ließ nicht lang auf sich warten. In Jerusalem treffen sich die führenden Repräsentanten der jungen Kirche. Nach eigener Darstellung suchten Paulus und Barnabas die Verständigung mit der Urgemeinde nicht, weil sie angesichts ihrer liberalen Missionspraxis unsicher waren, sondern weil sie die Urapostel zwingen wollten, endlich Farbe zu bekennen. Die Apostelgeschichte hingegen stellt die Sache so dar, dass die Jerusalemer kraft apostolischer Autorität einen Konflikt lösen wollten, der zwischen den „Antiochenern“ und Vertretern einer traditionellen Sicht entbrannt war. Paulus und Barnabas gewinnen die Oberhand – und zwar im Einklang und in Übereinstimmung mit Petrus.
Paulus schreibt, niemand habe sich der Einsicht verweigern können, dass „mir das Evangelium für die Unbeschnittenen anvertraut ist wie dem Petrus für die Beschnittenen“ (Gal 2,7). Lukas erzählt, das Oberhaupt Petrus habe sich ausdrücklich auf die Seite der Antiochener gestellt und mit seinem Bericht von der Taufe des heidnischen Hauptmanns Kornelius den Durchbruch erzielt: „Gott hat seit Anfang der Tage bestimmt, dass die Heiden das Wort des Evangeliums hören. Und Gott, der die Herzen kennt, hat das bezeugt, indem er ihnen den Heiligen Geist gegeben hat wie uns; Er macht keinen Unterschied zwischen uns und ihnen“ (Apg 15,7ff.). Die Würfel sind gefallen, und zwar für eine weltumspannende, eben katholische Kirche – nicht auf der Basis von Uniformität und Gleichmacherei, sondern auf der Grundlage geistlicher Gemeinschaft, die sich in bereichernder Vielfalt im gemeinsamen Bekenntnis zum gekreuzigten und auferweckten Kyrios Jesus Christus versammelt. Eigentlich herrscht damit Klarheit. Eigentlich.