Wenn ich Grundschulkindern unser Freiburger Münster zeige, staune ich immer wieder, wie anders bei ihnen das Zeitgefühl noch ist. Das Alter des Gotteshauses wird oft in einem ganz breiten Korridor geschätzt: zwischen (tatsächlich!) 10 000 und 50 Jahren. Kürzlich brachte mich ein Steppke zum Schmunzeln, als er fragte, ob ich den Grundstein fürs Münster gelegt hätte – anders konnte er sich nicht erklären, dass ich mich so intensiv damit beschäftigt habe.
Was mich selbst immer noch beeindruckt: Mehr als 300 Jahre betrug die Kernbauzeit dieser Kirche. Die Menschen haben also einst mit der Arbeit begonnen im klaren Bewusstsein, dass sie das Ergebnis nicht mehr sehen werden. Das ist eine Haltung, die heute, wo stets schnell ein messbarer Erfolg her muss, undenkbar scheint. Aber manchmal braucht es eben Einsatz und Ausdauer, den sprichwörtlichen langen Atem, damit Außergewöhnliches entstehen kann. Diese Wahrheit galt vor einem halben Jahrtausend, als in Freiburg der „schönste Turm auf Erden“ (Jacob Burckhardt) gebaut wurde. Es gilt bis heute im Kleinen. Und schon sind wir mittendrin in der aktuellen Diskussion über Leistungsbereitschaft.