Wir sind nicht die besseren Menschen, wir sind evangelisch.“ Mit diesem prägnanten Satz hat Diakonie-Präsident Ulrich Lilie soeben auf die dunklen Seiten in der Geschichte seines Wohlfahrtsverbandes zurückgeblickt. Anlass ist ein großes Jubiläum: Vor 175 Jahren legte Johann Hinrich Wichern in Wittenberg das Programm für den Central- Ausschuss der Inneren Mission vor (so hieß das damals).
Bei all dem Guten und Segensreichen, was die Diakonie seit dieser Zeit bewirkt hat: Es gab auch Fehler, Versagen, Schuld, insbesondere während des Nationalsozialismus. Dass man sich dem stellt, gerade im Festjahr, ist bemerkenswert (ob es eine ausdrücklich „evangelische“ Charaktereigenschaft ist, sei einmal dahingestellt).
Anders geht es aber nicht, wenn sich eine Zukunft auftun soll. In allen Zusammenhängen gilt: Nur „die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,32). Und deshalb kommt auch dieser Wochenrückblick wieder nicht ohne schmerzhafte Nachrichten aus.
1 | Essen. Nun wird einem der bekanntesten Kirchenmänner der Nachkriegsgeschichte Missbrauch vorgeworfen. Kardinal Franz Hengsbach soll in den 1950er- und 1960er-Jahren sexuelle Übergriffe begangen haben. Das Ruhrbistum hat das öffentlich gemacht und ruft Betroffene auf, sich zu melden.
2 | Lwiw. Bei einem russischen Drohnenangriff auf die westukrainische Stadt Lwiw (Lemberg) sind laut Caritas international ein Mensch getötet und 300 Tonnen Hilfsgüter zerstört worden. Vor allem warme Kleidung und Generatoren für den Winter seien verbrannt. Da es keine militärischen Objekte in der Nähe gebe, sei von einem gezielten russischen Angriff auf die Hilfsorganisation auszugehen, heißt es.
3 | Berg-Karabach. Neue Eskalation auch im Südkaukasus. Beobachter befürchten, die armenisch-christliche Bevölkerung, die auf dem Staatsgebiet des mehrheitlich muslimischen Aserbaidschan lebt, soll mit Gewalt vertrieben werden.
4 | New York. Bei einem Gipfel der Vereinten Nationen wurde überprüft, wieweit die Welt mit der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele ist. Dazu gehört etwa, Hunger und extreme Armut bis 2030 zu beenden. „Wir sind derzeit nicht auf dem richtigen Weg“, räumte Bundeskanzler Olaf Scholz ein. Alle Berichte zur Halbzeit gehen davon aus, dass bei gleichbleibendem Tempo kein Land die 17 Ziele fristgerecht erreichen wird.
5 | Krakau. Mit Ernüchterung ist auch das Treffen des Lutherischen Weltbundes zu Ende gegangen. Das Gemeinsame Wort des Gremiums mit dem Vatikan brachte viele Floskeln, aber keinerlei wirklichen Fortschritt in der Ökumene. Nun will man – genau wie die Vereinten Nationen mit ihren Nachhaltigkeitszielen – das Jahr 2030 anpeilen. Dann soll es wirklich vorangehen, womöglich will man sogar über eine gemeinsame Eucharistie von Protestanten und Katholiken nachdenken (für die es längst theologisch bestens ausgearbeitete Modelle gibt).
6 | München. Dass es in diesen Tagen aber auch Heilung gibt, dafür ist der Umzug der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER) von London in die bayerische Hauptstadt ein Hinweis. „München, ein Ort mit einer tragischen Geschichte, zeigt heute ein blühendes jüdisches Leben“, sagte Konferenzpräsident Pinchas Goldschmidt. „Diese Entwicklung ist ein Beweis dafür, dass Antisemitismus keinen Erfolg haben wird.“
7 | Luzern. Der Herbert-Haag-Preis „für Freiheit in der Kirche“ geht im kommenden Jahr an Norbert Lüdecke. Der Bonner Kirchenrechtler werde für sein Bemühen als Theologe und Publizist ausgezeichnet, „Aufklärung zu vermitteln über die absolutistischen Voraussetzungen des katholischen Kirchenrechts“. Lüdecke verstehe sein Engagement als Appell zu Mündigkeit und Illusionslosigkeit. Stichwort: Schmerzhaft...