Achteinhalb Jahre sind vergangen, seit Papst Franziskus seine Umwelt-Enzyklika Laudato si’ veröffentlicht hat. In der Zeit haben die Wetterextreme zugenommen, Jahr für Jahr wurden neue Rekordtemperaturen gemessen. Bilder von reißenden Überschwemmungen und brennenden Wäldern – längst nicht mehr nur „irgendwo anders“, sondern im Herzen Europas – haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Die katastrophalen Folgen des Klimawandels lassen sich nicht mehr wegdiskutieren, sie sind hier. Es deutet wenig darauf hin, dass wir heute einen entscheidenden Schritt näher an einer langfristigen Lösung dieses Menschheitsproblems stehen als vor achteinhalb Jahren. Entsprechend enttäuscht redet der Papst der Welt in seinem neuen Schreiben ins Gewissen: „Wir müssen die Mentalität überwinden, nicht den Mut zu haben, wesentliche Veränderungen herbeizuführen.“
Franziskus’ Ausführungen sind in ihrer Deutlichkeit richtig und wichtig. Doch angesichts der Tatsache, dass wir uns nicht nur in einer historischen Klimakrise, sondern auch in einer nie dagewesenen Kirchenkrise befinden, überraschen seine Lösungsvorschläge: Weniger Eliten-Denken, mehr Demokratie und endlich Mut zu echten, weitreichenden Veränderungen! Der Papst, der in kirchlichen Entscheidungen gern das letzte Wort behält und nicht davor zurückschreckt, Reformbemühungen mit einem Wort vom Tisch zu fegen, schreibt in Laudate Deum leidenschaftlich gegen zu viel Macht in den Händen Einzelner und „Autorität, die sich auf eine Person konzentriert“, an. Einfühlsam berichtet er von der Enttäuschung der Menschen, die von Klimagipfel zu Klimagipfel mit schönen Worten vertröstet werden, ohne dass sich Entscheidendes ändert. „Die Revolutionen, die einen raschen und wirksamen Übergang zu alternativen und weniger umweltschädlichen Energieformen gewährleisten sollten, machten keine Fortschritte.“
Wer die Entwicklung der katholischen Kirche in den letzten Jahrzehnten verfolgt hat, fühlt sich an Synoden und Versammlungen erinnert, die mit großen Erwartungen gestartet sind, aber letztendlich keinen entscheidenden Umschwung im System Kirche einläuten konnten. Dabei haben gerade schwierige Zeiten großes Potential, wie Franziskus – wieder mit Blick auf die Klimaerwärmung – schreibt: „Es ist bedauerlich, dass Krisen vergeudet werden, obwohl sie die Gelegenheit bieten könnten, positive Veränderungen herbeizuführen.“ Und schließlich fällt ein Satz, der viele reformorientierte Gläubige nachdenklich stimmen dürfte. Besonders jene, die die Kirche vor allem als hierarchisches System erleben, in dem alle, die nicht dem klassischen katholischen Rollenbild entsprechen, oft nicht mitgedacht werden: „Es ist nicht mehr hilfreich, Institutionen zu unterstützen, um die Rechte der Mächtigen zu wahren, ohne sich um die Rechte aller zu kümmern.“
Dass der Papst hier mit mahnendem Zeigefinger Ratschläge gibt, die er selbst weitgehend ignoriert, ist interessant, aber wohl nicht überraschend. Immerhin wusste schon Jesus, dass es oft so viel einfacher ist, anderen zu sagen, was zu tun ist, als sich eigener Probleme bewusst zu werden (vgl. das Gleichnis vom Balken im Auge; Mt 7,3). Aber vielleicht würde es nicht schaden, wenn kirchliche Entscheider den neuen Text aufmerksam durchgehen würden – und sich fragen, warum Lösungen, die in einer Situation richtig sind, in einer anderen falsch sein sollen.