Ein Buch, das im Untertitel „Mystik des Alltags“ trägt – das muss den Christ in der Gegenwart interessieren. Schließlich gehören das Thema und die gleichnamige Rubrik zum Kern unserer Zeitschrift, seit Jahren meisterhaft und motivierend bespielt von Gotthard Fuchs.
Dieses Buch ist, nun ja, anders. Allein schon weil der Autor ein ganz anderer ist. Frank Berzbach ist von Haus aus Philosoph, hat jedoch vom Fahrradkurier bis zum Discjockey schon „alles“ gemacht. Hauptsächlich schreibt er Bücher und Aufsätze über Ästhetik, Literatur und Lebenskunst. Er hat im Magazin der Jesuiten veröffentlicht, aber genauso im Playboy.
So schillernd wie die Vita des Verfassers, so unorthodox geht er auch an Spiritualität und Mystik heran. In neun längeren Essays umkreist er Begriffe wie „Anfangen“, „Schönheit“, „Lesen“ und „Klänge“. Dazu gibt es kürzere Stichwort-texte etwa zu „Liebe“, „Gebet“ und „Sünde“. Berzbachs Zugang ist oft persönlich, manchmal dabei ziemlich von sich selbst angetan, bisweilen sprunghaft. Etliche Dinge wiederholen sich, etwa die brachiale Kapitalismuskritik („Teilen der Oberschicht müsste man verbieten, St. Martins-Lieder zu singen“). Auch verwundert ein gewisser Hang zum Kulturpessimismus, konkret: die Verachtung der digitalen Welt („Emotionen werden zu Emojis, und die Welt wird in 15-sekündigen Tänzen präsentiert“). Ebenso unausgewogen wirkt die Kritik an der Institution Kirche beziehungsweise am, wie es Berzbach nennt, „bürgerlichen“ Christentum („homophob, intolerant und doppelmoralisch“).
Trotz solcher Einseitigkeiten lassen sich einige Inspirationen aus diesem mitreißend geschriebenen Buch ziehen. Denn der Autor „brennt“ für sein Christsein. Und er ist äußerst belesen: Sechs Seiten mit Infos zu den religiösen Büchern, die ihm wichtig sind, schließen den Band ab. Da ist alles dabei, was Rang und Namen hat: Karl Rahner, Meister Eckhart, Simone Weil, Thomas Merton... Immer wieder zitiert Berzbach kundig diese Klassiker – um im nächsten Satz Gott in der Rockmusik zu suchen. „Das Beten hat mich nie verlassen und AC/DC auch nicht.“ So ist das Buch am Ende eine originelle und anregende (Neu-)Interpretation christlicher Spiritualität. Zartbesaitet darf man beim Lesen freilich nicht sein.