„Du siehst ja aus wie der Frühling“, hat mal ein netter Mensch zu mir gesagt.
Das hab ich mir gemerkt. Weil wie der Frühling aussehen was Schönes ist.
Ich habe gerade die Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung studiert. Da wurden evangelische und katholische Menschen sowie Menschen, die keiner Kirche angehören, zu ihrer Religiosität und Kirchenbindung befragt – und das Ergebnis ist herbstlich. Bis zum Ende der 20er-Jahre werden weniger als 50 Prozent einer Kirche angehören, 32 Prozent der Befragten bezeichnen sich als uneingeschränkt nicht religiös und, ach, man könnte heulen...
Ich finde nur mal wieder: Die Kirche könnte so viel von der Mode lernen. Da finden nämlich im Herbst die Fashionweeks für den Frühling statt. Und anstatt im letzten Quartal des Jahres in Asche zu gehen, riecht der Herbst in der Fashionbranche nach Aufbruch.
Könnten wir im Herbst nicht auch ein bisschen mehr wie der Frühling aussehen (und riechen, schmecken, klingen)? Ein bisschen mehr wie fliegende Kraniche, warmer Wind, Krokusse, erster Kaffee draußen, mit-Decke-in-der-Sonne-Liegen oder eine Fashionshow von Isabel Marant? Wir sind nicht im letzten Quartal. Wir sind im Herbst. Kurz vorm Frühling. Unser Glaube ist so gut für das Leben, so warm, liebevoll, heilsam. Gott wird sich nicht nehmen lassen, bei uns zu sein alle Tage, bis an der Welt Ende. Im Frühling und im Herbst.
Und ja. Wir können uns hier in Deutschland Kirche schwer ohne die Kirchensteuer denken. Schwer ohne diesen schönen Institutionenstatus und alles, was uns als Volkskirche so wichtig macht. Und nee, ich will das alles auch nicht gerne loslassen. Aber ich glaube: It’s time to dream big. Lasst uns mal den Herbst nutzen, um uns schön für den Frühling zu machen. Solange Herbst und Frühling und Sommer und Winter wird, gilt 1 Sam 17,32.
Und jetzt lese ich weiter meine Vogue, weil die mir erzählt, was im Frühling Schönes kommt. Können wir das nicht auch?
ANNE HELENE KRATZERT, Dr. theol., ist Pfarrerin in Karlsruhe