Weihnachten in KrisenzeitenMensch werden und bleiben

Gutes Essen, Geschenke und ein harmonischer Abend im Kreis der Familie – ist das alles? Warum die aktuellen Krisen ein Anlass sein können, neu über Weihnachten nachzudenken.

Mitten in einer gebrochenen und friedlosen Welt, am äußersten Rande der Gesellschaft und in einer durchaus als prekär zu bezeichnenden Familiensituation wird Gott als schutzloses Neugeborenes Mensch. Genau so und nicht anders. Im Anschluss ist die junge Familie auch noch einer akuten Gewaltbedrohung ausgesetzt und muss deshalb die Flucht in ein fremdes Land antreten – welch traumatische Umstände! Aber es sind diese Rahmenbedingungen, die Jesu Eltern und vor allem Jesus selbst zutiefst für sein gesamtes Leben und Wirken geprägt haben. Womöglich haben gerade diese Erfahrungen seine außergewöhnliche Mitmenschlichkeit, seine intensive Empathie sowie seine besondere Aufmerksamkeit und Liebe für alle Ausgegrenzten und Schutzbedürftigen besonders gefördert. Die Rahmenbedingungen der Geburt Jesu führen unseren Blick jedenfalls immer wieder zu den dunkelsten Winkeln der menschlichen Existenz. Exakt dorthin ist Gottes Sohn bewusst ausgesandt, um vor allem an diesen Orten und auf unvergleichliche Weise Licht und Hoffnung zu bringen.

Jesu Geburt lenkt unser Augenmerk jedoch nicht nur auf die damaligen Ereignisse, sondern auch auf einen der gerade heute wundesten Punkte auf der Landkarte. Was wäre, wenn der Jude Jesus nicht vor über 2000 Jahren, sondern am 24. Dezember des Jahres 2023 zur Welt kommen würde? Dann würde er vielleicht in einem geheimen Tunnel der Hamas geboren werden, weil seine Eltern als Geiseln verschleppt und seitdem gefangen gehalten werden. Aber ich glaube, wir dürfen unsere Gedanken und Herzen auch noch etwas weiter fassen: Es könnte auch sein, dass der Jesus der Gegenwart in den Trümmern eines Hauses im Gazastreifen oder in einer Notfallunterkunft in der Ukraine oder als Flüchtlingskind aus Berg-Karabach das Licht der Welt erblickt…

Weihnachten sollte angesichts dessen weniger das Fest eines eskapistischen Einhüllens in einen wohlig-weltfernen Kokon sein. Es sollte uns vielmehr daran erinnern, gerade jetzt die wunden Punkte der Erde und die verwundbarsten Menschen unserer Zeit nicht zu vergessen und das Menschenmöglichste zu tun, um zu helfen, noch größeres Leid zu verhindern, und uns für den Frieden zu engagieren.

Dabei sollten wir die Feier der Menschwerdung Gottes als Aufforderung an uns selbst betrachten, gerade in Zeiten voller Krisen und Kriege und angesichts eines gesellschaftlichen Klimas der Polarisierung, der sozialen Kälte und einer Tendenz zu dehumanisierender Sprache selbst menschlich zu sein, menschlich zu bleiben und jeden Nächsten zuallererst als würdevollen Mitmenschen zu betrachten. Jesu Geburt kann uns ermahnen und ermutigen, uns in Weichherzigkeit, Toleranz und Empathie zu üben, für das Gute einzutreten und uns jeglichen Formen von Gewalt, Hartherzigkeit und Ignoranz entgegenzustellen.

Das Wunder von Weihnachten besteht ja gerade darin, dass Jesus als mensch- gewordener Gott und mit ihm sein Evangelium von Liebe, (Mit-)Menschlichkeit, Glaube, Friedfertigkeit und Hoffnung auf die Erde gekommen ist und dort seine Wirkung entfaltet hat. Nun ist es unsere Aufgabe, seine Frohbotschaft immer weiter aufkeimen und erblühen zu lassen. Und das Licht, das auf diese Weise unter uns zum Leuchten gebracht werden kann, ist viel wärmer und heller als alle Lichterketten dieser Welt zusammen.

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