Stürme können brausen, Wasser schlagen und die Weltzeit auf fünf vor zwölf stehen, aber das neue Jahr kann nicht beginnen, ohne dass an der Donau im Dreivierteltakt das Neujahrskonzert Musikliebhaberinnen und -liebhaber aus aller Welt begeistert. Seit der Premiere 1941 ist das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ein Markenzeichen und eine der wunderlichsten Besonderheiten der Kaiserstadt. Die Dirigenten – bisher ausschließlich Männer – spielen das gefühlt immer gleiche, beziehungsweise nur minimal nuancierte Programm aus Werken der Strauß-Dynastie und enden mit dem „Radetzkymarsch“. Donnernder Applaus im Saal, Rekordpublikum weltweit an den Fernseh- und Radiogeräten. Wenn es einen Beweis für Beständigkeit in der Welt braucht, dann ist es dieses Konzert. Und doch sind es die feinen Kleinigkeiten, die die jährlichen Interpretationen voneinander unterschieden. Ein Forschungsprojekt der Universität der Bildenden Künste Wien hat jetzt eine Software entwickelt, die die Charakteristika der einzelnen Interpretationen sowie deren Entwicklung erkennbar machen kann. Dabei spiegelt die Musik auch immer ein Stück Zeitgeschichte wider, wie Chanda VanderHart, eine der Autorinnen, erläutert: „Ein Thema im ‚Kaiserwalzer‘ mit einem martialischen Grundton klingt in den frühen Aufnahmen etwa noch recht militärisch, bevor es sich in späteren Jahren stilistisch vollkommen wandelt, harmloser, runder wird und plötzlich beinahe ein bisschen an Karussell-Musik erinnert“. Es wird also auch vieles friedlicher, allen Problemen zum Trotz. Prosit Neujahr!