FrauenfrageJunia, Apostelin

Über eine Frau, die die frühe Kirche prägte - und die Versuche, sie unsichtbar zu machen.

Neben Phöbe von Kenchreä wird auch Junia im Römerbrief erwähnt. Sie begegnet uns zusammen mit ihrem Ehemann Andronikos in der Grußliste des 16. Kapitels. Beide werden von Paulus als „ausgezeichnet unter den Aposteln“ hervorgehoben. Der Hinweis ist aus heutiger Sicht sensationell, stellt er doch die einzige Stelle im Neuen Testament dar, die den frühkirchlichen Aposteltitel ganz explizit auch einer Frau zuspricht.

Lange Zeit ist darum gestritten worden. Einige jüngere Handschriften überliefern den männlichen Namen Junias, die ältesten Zeugnisse hingegen sprechen ganz eindeutig von einer Frau namens Junia. Die gegenwärtige Exegese hält Letzteres für plausibler. Denn erstens lässt sich der Männername Junias im Unterschied zum Frauennamen Junia für die römisch-griechische Antike an keiner Stelle nachweisen, und zweitens sprechen die Kirchenväter durchgehend von einer Frau. Der hl. Chrysostomus gerät geradezu ins Schwärmen: „Wie groß muss ihre Weisheit gewesen sein, dass sie sogar für würdig gehalten wurde, den Aposteltitel zu tragen!“ Im Spiegel der Römerbriefnotiz war sie verheiratet, so wie auch Petrus, das Oberhaupt der Apostel.

Vermutlich war dies der Normalfall. So jedenfalls erklärt sich 1Kor 9,5: „Haben wir nicht das (grundsätzliche) Recht, eine gläubige Frau dabeizuhaben wie auch die anderen Apostel und wie die Brüder des Herrn und wie Kephas?“ Der unverheiratete Paulus ging – wenn auch nicht singulär – einen Sonderweg. Viele andere Apostel hatten Ehefrauen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso für die Sache des Evangeliums einsetzten. Die Apostelin Junia hatte sogar einen Apostel geheiratet. Paulus bezeichnet beide als seine Volksgenossen, sie waren also jüdischer Provenienz. Und er fügt hinzu: Sie waren mit mir im Gefängnis. Vielleicht waren sie eine Zeitlang gemeinsam unterwegs.

Wichtiger ist das wertschätzende Prädikat, das Paulus Junia und Andronikos zuspricht („hervorragend unter den Aposteln“). Offenbar gab es in der werdenden Kirche einen zweischichtigen Apostelbegriff, der eine Unterscheidung trifft zwischen solchen, die aufgrund einer österlichen Begegnungserfahrung mit dem auferstandenen Kyrios im Vollsinn zum „Apostel Jesu Christi“ berufen waren, und solchen, die eine Sendung zur Mission durch Handauflegung und Gebet von einer Gemeinde erhielten. Durfte Junia sich zu den sogenannten Christus-Aposteln zählen? Warum begegnet ihr Name in den frühchristlichen Zeugnissen dann nicht häufiger, warum nicht prominenter? Paulus notiert jedenfalls, dass sie schon vor ihm Apostelin war.

Das alles weist in die früheste Zeit nach dem Kreuzestod Jesu und nach Jerusalem zurück. Möglicherweise gehören Andronikos und Junia zu jenem hellenistisch-judenchristlichen Kreis rund um Stephanus, die im Dunst seiner Ermordung aus Jerusalem und dem Heiligen Land fliehen mussten, daraufhin in Syrien oder Kilikien missionierten und zu Pionieren der sogenannten Heidenmission wurden. Wie später auch Petrus und noch später Paulus sind die beiden irgendwann nach Rom gekommen. Paulus weiß davon und übermittelt dem Paar Grüße. Wenn das stimmt, bedeutet dies, Abschied zu nehmen von der Vorstellung, die Organisation der werdenden Kirche sei von Anbeginn reine Männersache gewesen. Der Anfang war bunt und färbte alles Kommende.

CIG

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