Gottesrede, die auf der Höhe der Zeit ist und bei ihrer Sache bleibt, ist immer der Poesie benachbart. Denn Glaube und Liebe gehören nicht nur sprachlich zusammen. Immer geht es um die Unsagbarkeit des Nächstliegenden, nämlich um das Geheimnis des Daseins und seine Nicht-Selbstverständlichkeit, also um Beten und Denken. Gottfried Bachl, der 2020 verstorbene Salzburger Dogmatiker, war in diesem Sinne wohl der kreativste katholische Theologe seiner Generation. Seine 100 Gedichtgebete, gesammelt unter dem Titel Mailuft und Eisgang, gehören zu den kostbarsten Texten gewagten Glaubens. Bücher wie das zur Eucharistie verweisen schon durch ihren Untertitel Macht und Lust des Verzehrens auf ihre sinnliche Konkretion. Auch seine Hochschulvorlesungen Der schwierige Jesus und Der beschädigte Eros setzten bleibende Maßstäbe. Bachl – Fachtheologe durch und durch sowie ein glänzender Kenner der großen kirchlichen Tradition – beherrschte das wissenschaftliche Geschäft, aber er bevorzugte doch mehr das kleine Format, die Miniatur, den Essay. Reflexion und Poesie, Theologie und Ästhetik gehörten für ihn untrennbar zusammen.
Seinem ersten Assistenten Wilhelm Achleitner ist ein hervorragend komponiertes Lesebuch gelungen, das zentrale Texte und Themen aus dem umfangreichen Gesamtwerk Bachls (das an der Universität Salzburg digital zugänglich ist) aufblitzen lässt. Der besondere Reiz dabei liegt in der gelungenen Mischung unterschiedlicher Textsorten und in der Veröffentlichung noch unbekannter oder entlegener Beiträge. Schon die erste Veröffentlichung, zu Weihnachten 1966 in der Welser Zeitung, lässt den unverwechselbaren Bachl-Sound hören: „Es sei hier ganz privat eingeladen zum sparsamen Gebrauch von großen Worten, zur Skepsis allem flotten Optimismus gegenüber...“. Was der in Rom ausgebildete Bauernjunge aus dem Mühlviertel da noch als Kaplan veröffentlichte, hat er als Salzburger Dogmatikprofessor vielfarbig entfaltet. Schon damals hatte er die „Problemgenießer“ ebenso im Visier wie die „heiteren Besitzer ewiger Wahrheiten“.
„Mir scheint,/man muss Gott/mehr fragen/als loben.“ Bachls Fragebögen – teils hier abgedruckt, teils bereits in einer Art Vorgängerband mit dem Titel Gott bewegt schon zugänglich – sind in der Tat ungemein anstiftend. „Warum duzen Sie Gott?“ – „Warum wählt das Wort Gott, wenn es ertönen soll, so oft die imperative Satzform?“ – „Warum zuckern wir die Hostie nicht?“ Hier zeigt sich besonders der durchgängig neugierige und subversive Charakter dieser Art von Theologie, nicht ohne viel schalkhaften Humor und lösende Ironie. Da herrscht eine treue Entdeckerlust für Vergessenes und Versäumtes, ebenso äußerste Skepsis gegenüber kirchlichen Lautsprechern und vorherrschenden Sprachspielen. Auch Anwaltliches zugunsten von Volksfrömmigkeit und den sogenannten kleinen Leuten sowie verketzerten Positionen ist im Blick.
Immer geht es um die jesuanische Leichtigkeit auch im Schweren, um jenen Humor, der mit humus – Erdung und Demut – einhergeht, jene himmlische Lust am Irdischen trotz allem. Dazu gehört auch jene Liebe zur Kirche, die Kritik an ihr gerade nicht ausschließt, sondern in behutsamer Hartnäckigkeit auf Wandlung und Reform besteht. Gemäß dem Titel des Buches ist immer das Wissen um die Vergänglichkeit im Spiel und die Hoffnung auf die Vollendung der Schöpfung, die alles Jetzige spezifisch gewichtet. Deshalb immer die Suche und Sorge um das treffende Wort: „gottsuchende Sprachlosigkeit“ steht am Ende von vierzehn strophen gott.
Diese Haltung gilt nicht zuletzt für ein zentrales Lebensthema Bachls: die patriarchalen Eierschalen des Christlichen, zumal in kirchlicher Gestalt, und die schwer vernachlässigte Würdigung von Eros und Sexualität. „Der päpstliche Minnegesang an die Frauen verklingt und macht der redlichen Kollegialität Platz. Der Jahrtausende alte Schatten der Minderwertigkeit auf der Frau wird gelöscht werden.“ So Bachls Antwort auf die Frage, was er von der Kirche erwarte. Das zweite große Lebensthema des in der Nähe des KZ Mauthausen geborenen Oberösterreichers ist der Holocaust und der christliche Antijudaismus. Auch dazu finden sich bewegende Texte. Und immer wieder der „müßige“ Jesus: an ihm „den Gestus Gott lernen“!