Früher schien die Sache klar: Ökumene bedeutete die Rückkehr der Verlorenen zur katholischen Kirche. Doch gibt es kein Zurück hinter die Reformation, wie die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner eingangs feststellte. Auch gebe es kein Paradigma der Einheit der Kirchen mehr, sondern eine „unüberwindbare Vielfalt“. Daraus ergebe sich oft eine „ökumenische Selbstzufriedenheit“. Warum soll man noch arbeiten, wenn jeder sich das aussuchen könne, was ihm passe? Die zentrale Frage sei doch, ob eine Kirchenzugehörigkeit für die Gläubigen überhaupt noch zentral sei. Rahner bedauerte die beruhigenden Reden von „versöhnter Verschiedenheit“, die jegliche ökumenische Spitze ausklammerten. Ökumene brauche den Streit um die „bessere“ Lösung, eine Rivalität um Wahrheit, sonst sei sie sinnlos.
Die zahlreichen Podien vermittelten zumindest einen Eindruck dessen, was Rahner anmahnte. Auf Gemeindeebene sei Ökumene oft längst eine Selbstverständlichkeit, die Konflikte um theologische Spitzfindigkeiten stießen eher auf Befremden. Doch wolle keine rechte Euphorie aufkommen. Die Orthodoxen in Deutschland, immerhin auf knapp 900 Gemeinden angewachsen, sahen sich enttäuscht vom anstehenden Katholikentag, wo sie kaum vorkämen. Diese Selbstbeschäftigung der Konfessionen kann schnell enden, wenn es zu einer Situation der Minderheitenkirche kommt. Wo immer dies der Fall sei, funktioniere die Ökumene recht gut, so die Berichte aus dem Nähesten und Nahen Osten. Anders in Polen, wo es weniger Protestanten als Zeugen Jehovas gibt.
Ob hier Heinrich Bedford-Strohm weiterhelfen konnte? Der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD wurde nicht müde, von einer „Ökumene des Herzens“ zu berichten, die nun angestrebt werden müsse. Die Unterschiede seien relativ unwichtig, wenn alle erfüllt von dem einen Glauben sind. Das anstehende 1700-jährige Jubiläum des Konzils von Nizäa verband er allerdings gerade nicht mit dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis, sondern mit einem „Tag der Schöpfung“.
Vielleicht gehen ja neue Impulse der Ökumene tatsächlich von den Orden aus, wie Sr. Katharina Kluitmann, die Provinzoberin der Franziskanerinnen in den Niederlanden, vermutete. Die Orden seien schon immer die Zentren von Reform und Erneuerung gewesen.
Auf eine andere „Ökumene“ könnte in Zukunft sicherlich verzichtet werden: auf die bedrückend ähnlichen Tendenzen beider Großkirchen im Umgang mit Missbrauchsopfern und der Aufarbeitung der Fälle. Denn die Tagung war auch eine erste Standortbestimmung nach Veröffentlichung der ForuM-Studie. Vieles klang dabei – leider – allzu vertraut.
Dass Ökumene gelingen kann, wenn alle Beteiligten ernsthaftes Interesse aneinander zeigen, machte der abschließende Gottesdienst in der evangelischen St. Ulrichskirche deutlich. Der Augsburger Bischof Bertram Meier, die lutherische schwedische Erzbischöfin Antje Jackelén, der griechisch-orthodoxe Vikarbischof Emmanuel von Christoupolis sowie der Jesuitenpater Christof Wolf feierten einmütig und ohne Aufgabe ihrer eigenen Spezifika. Ein Schimmer der Hoffnung, dass Ökumene auch in Zukunft mehr sein kann als Resignation oder bloße Notgemeinschaft.