Obwohl die Auferstehung Jesu – und die Hoffnung auf unsere – zweifellos das Zentrum christlichen Glaubens ist, können auch viele Christinnen und Christen diesen Glauben nicht (oder nicht mehr) teilen. Freilich wissen wir, dass wir von Jesus nur deshalb Kenntnis haben, weil Zeugen seiner Auferstehung sich gedrängt fühlten, seine Worte und Taten zu verkünden und aufzuschreiben. Zeugen, die in irgendeiner Weise Jesus als Lebenden erfahren haben. Wäre mit seinem Tod am Kreuz die Jesusgeschichte beendet gewesen, gäbe es das Neue Testament nicht.
Dennoch klafft eine schmerzliche Lücke zwischen diesem Wissen und dem heutigen Zeit- und Lebensgefühl, genauer: zwischen unserer Lebenserfahrung und der Überzeugung, dass dieses von Not, Angst, Krankheit und Tod durchwirkte Leben seine Erfüllung in einer neuen Existenz bei Gott findet. Und deshalb bietet es sich an, bei dem Zeugen nachzufragen, der konkret und direkt von seiner Erfahrung des Auferstandenen schreibt – bei Paulus.
Sein Leben war geprägt von (oft vergeblicher) Mühe um seine Gemeinden, von Hunger, Strapazen, Misshandlungen, Gefängnis und Todesangst. Paulus sah dem Tod immer wieder ins Auge und hielt sich an dem Glauben an die Auferstehung fest wie an einem Rettungsanker, um nicht unterzugehen. Schauen wir uns einige Situationen an, in denen Paulus Jesu Tod und Auferstehung in seinem Leben fortgeschrieben sah und daraus Trost und Hoffnung schöpfte. Sind die Erfahrungen von Mühsal und Not und das Gefühl, an der Todesgrenze zu wandern, uns heutzutage nicht vertraut – auch wenn wir ihnen immer wieder auszuweichen suchen? Könnte es sein, dass der Glaube an die Auferstehung gerade in Grenzsituationen seine aufrichtende Kraft entfalten kann?
In seinem wahrscheinlich ältesten Brief, dem an die Gemeinde in Thessalonich, der geprägt ist von der Erwartung des wiederkommenden Christus, verbindet der Apostel den Glauben an Gott mit der Versicherung, dass er Jesus „von den Toten erweckte“ (1 Thess 1,10). Und dies ist der Grund, warum er den Menschen Hoffnung schenken kann, wenn sie um Verstorbene trauern: „Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus in die Gemeinschaft mit ihm führen“ (1 Thess 4,14).
Auf eine harte Probe wird der Seelsorger Paulus bei seinem Bemühen um die Gemeinde in Korinth gestellt. Wiederholt muss er sich als Verkünder des Evangeliums gegenüber anderen behaupten. Er tut dies mit dem Hinweis auf seine Christuserfahrung: „Bin ich nicht Apostel? Habe ich nicht unseren Herrn Jesus gesehen?“ (1 Kor 9,1). Und seine Aufzählung der Auferstehungszeugen schließt er ebenfalls mit einem persönlichen Bekenntnis ab: „Zuletzt ist er auch mir erschienen, gleichsam der Fehlgeburt“ (1 Kor 15,8). Doch gerade in dieser Gemeinde stößt er auf den Unglauben bei seiner Verkündigung der Auferstehung Jesu, ja auf die Ablehnung der Möglichkeit einer Auferstehung der Toten überhaupt. „Wie können einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht?“ (1 Kor 15,12).
Leidenschaftlich wehrt sich Paulus dagegen, er würde gewissermaßen als falscher Zeuge auftreten. Für ihn ist der christliche Glaube „leer“, sollte die Verkündigung der Auferstehung eine Lüge sein (vgl. 1 Kor 15,14–17). Geradezu beschwörend bekräftigt er, dass Jesus von den Toten erweckt wurde, um die Zweifler zu überzeugen. „Tag für Tag sehe ich dem Tod ins Auge ... Wenn keine Toten erweckt werden, dann ,lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot‘“ (1 Kor 15,31–32).
Paulus berichtet im zweiten Brief an die Korinther, dass ihm eine so große Last auferlegt wurde, dass er mit dem Leben abgeschlossen hatte. Da konnte er nur auf Gott vertrauen, „der die Toten erweckt“ (2 Kor 1,9). Und tatsächlich: „Er hat uns aus so bitterer Todesnot errettet und wird uns retten“ (2 Kor 1,10). Die Existenz des Apostels ist geradezu gezeichnet durch Drangsale und Verfolgung: „Allzeit tragen wir das Sterben Jesu an unserem Leibe umher, damit auch das Leben Jesu sich offenbare an unserem sterblichen Fleische“ (2 Kor 4,10; vgl. 2 Kor 6,4–5). Und wieder beschwört Paulus gegenüber seiner Gemeinde den Glauben an die Auferstehung: „Wir wissen doch, dass der, welcher den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken wird“ (2 Kor 4,14). Und er malt das Hoffnungsbild vom „ewigen Haus im Himmel“ (2 Kor 5,1ff.). So mahnt er die Korinther, für den zu leben, „der für sie gestorben und auferweckt worden ist“ (2 Kor 5,15).
Nein, Paulus lässt keinen Zweifel, dass er die Last des Apostolats nur auf sich nehmen kann, weil er sich von Gott beauftragt weiß, der ihn berufen hat und dem es „gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich die Heilsbotschaft von ihm unter den Heiden verkünde“ (Gal 1,16). In seinem Brief aus dem Gefängnis an die Gemeinde in Philippi formuliert er als sein Lebensziel: „Ihn will ich erkennen, und die Kraft seiner Auferstehung und die Leidensgemeinschaft mit ihm, indem ich gleichförmig werde mit seinem Tode“ (Phil 3,10).
Schließlich darf auch der gewichtigste Brief, der an die Römer, nicht unerwähnt bleiben, in dem Paulus die Taufe in Tod und Auferstehung Jesu begründet: „Wir sind also durch die Taufe auf seinen Tod mit ihm begraben, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln“ (Röm 6,4).
Und weiter: „Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen ja, dass Christus nicht mehr stirbt“ (Röm 6,8–9). Christsein heißt nach Paulus, den Geist dessen in sich zu wissen, „der Christus von den Toten erweckt hat“, und der durch eben diesen Geist „auch eure sterblichen Leiber lebendig machen“ wird (Röm 8,11). Wenn wir begreifen, dass auch unser von Mühsal geprägtes Leben stündlich vom Tod und der mit ihm augenscheinlich verbundenen Sinnlosigkeit in Frage gestellt ist, dann könnte die Auferstehungshoffnung des Paulus unsere Zuversicht stärken, dass unser irdisches Leben nicht im absurden Nichts endet. Dass Gott auch unser zerbrechliches, todgeweihtes Leben heilen und vollenden wird.
Wenn wir begreifen, dass auch unser von Mühsal geprägtes Leben stündlich vom Tod und der mit ihm augenscheinlich verbundenen Sinnlosigkeit in Frage gestellt ist, dann könnte die Auferstehungshoffnung des Paulus unsere Zuversicht stärken, dass unser irdisches Leben nicht im absurden Nichts endet. Dass Gott auch unser zerbrechliches, todgeweihtes Leben heilen und vollenden wird.