Liebt einander, wie ich euch geliebt habe (Joh 15,9–17)Von Spatzen und Adlern

Für Gott zählt nicht der starke Auftritt, sondern etwas anderes.

Charles Schumann, der wohl bekannteste Barkeeper der Republik, konnte ein paar Wochen lang in einem buddhistischen Kloster am Rand von Kyoto eine Bar betreiben. Askese und Alkohol? Raffinierte Drinks und Meditation? Im Interview mit der FAZ erhellte Schumann diese auf den ersten Blick wundersame Konstellation. Abgesehen davon, dass Klöster mit Likören wie Chartreuse oder Bénédictine durchaus Spirituosen-Geschichte geschrieben hätten, sei es der „unglaubliche“ Tresen im dortigen Teesalon gewesen, der ihn reizte. So ergab das eine das andere und schließlich sei es zur Eröffnung einer Bar mit zehn Plätzen gekommen. Die winzige japanische Stätte kontrastierte stark mit Schumanns angesagter Münchner Bar, wo es so herzlich wie „ruppig“ zugehen kann. „Das Ruppige“, so der Barkeeper, „ist ja auch ein Symptom von Überforderung und zu großen Egos, der Mitarbeiter wie der Gäste. Wer ist wichtig? Wer ist wichtiger? Zu viele Adler, die eigentlich Spatzen sind, sagen die Japaner. Ich will das zurückfahren.“

Diese Zeilen las ich zuerst in der Fastenzeit, wo das Nachsinnen über „große Egos“ und das „Zurückfahren“ inspirierte. Nun neigt sich die Halleluja-Zeit ihrem liturgischen Ende zu. Die Sonntagsperikopen buchstabieren christliche Signalwörter „auf Johanneisch“, was ein anspruchsvolles Exerzitium ist. „Dies ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“, so der Ruf des Sonntags (vgl. Joh. 15,9–17). Wie vertraut – wie vertrackt!

Wobei man auch hier mit Schumanns beiläufiger Bemerkung zum „Ruppigen“ einen Schritt vorankommen könnte. Liebe leidet doch unter den „großen Egos“, die eine schwer durchschaubare Mischung aus Selbstbehauptung und Angst sind. Wir möchten mit unseren Fähigkeiten punkten, zugleich wissen wir um unsere Begrenztheiten, blicken mit Verblüffung auf das, was andere vermögen. Hier eine Balance zu finden, einzusehen, dass wir häufig genug nur „Spatzen“ sind, das ist nicht einfach. Der Blick in die Evangelien besänftigt. Mag der Spatz auch dort ein Synonym für etwas Kleines sein, so entgeht nicht einmal ein Spatz dem Blick Gottes (vgl. Mt. 10,29). Mehr noch: Wer die synoptischen Wege des Herrn mitgeht, merkt rasch, dass seine Sorge denen gilt, die an den Bartheken der Welt nicht wirklich glänzen können. Jesu Sendung meint genau diese Spatzen, jene, die für Angesagtes nicht zu haben sind, schon deshalb, weil sie am Abend keine Kraft mehr haben, um sich schick zu machen und auszugehen.

Und die Liebe? Sie ist dort gegenwärtig, wo der starke Auftritt, wo Sieg und Niederlage an Bedeutung verlieren. Ja, es mag Adler und Spatzen geben, in mannigfaltigen Varianten. Wenn wir aber lieben, dann lieben wir, weil es gut ist zu lieben, weil es passt, weil wir gemeinsam unsere Lebensstraße abschreiten: „Weil Du es bist!“ Dass unser Lieben eingebettet ist in eine göttliche Liebe, das ist die Grundmelodie des Evangeliums, die größte aller Hoffnungen. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Ein erschütternder Satz, vor dem man schweigen mag. Von Ostern sprechen darf man auch hier. Das österliche Halleluja kennt keine Verlierer und wird auch jetzt nicht verstummen.

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