Die Taufe Jesu (Mk 1,7–11)Gottes liebevolle Zusage

Wir sind eingeladen, immer neue Färbungen im Jesusbild zu entdecken.

Das Evangelium dieses Sonntags ist, trotz oder gerade in seiner Kürze, ein Text produktiver Kollision. Markus will seinen Lesenden verdeutlichen, wer Jesus ist. Darüber hatten wir in den letzten Wochen bereits Aussagen der anderen Evangelisten gelesen. Allen voran von Lukas, der davon erzählt, dass dieses Kind von Anfang an ganz besonders war, der Retter der Welt, der ersehnte Messias, der Sohn Gottes.

Das älteste Evangelium wählt einen anderen Weg: Der kurze Absatz, in dem Markus die Taufe Jesu beschreibt, ist der erste „Auftritt“ Jesu. Zwar hat das Evangelium eine Überschrift, in der Jesus als „Christus, Gottes Sohn“ bezeichnet wird. Aber aus dem Text selbst wissen die Lesenden noch nicht, wer denn dieser Jesus ist, der sich im Jordan taufen lassen will. Vielleicht hat ihn die Botschaft des Johannes von der Umkehr und der Vergebung der Sünden angesprochen. Oder dessen Lebensstil in der Wüste hat ihn beeindruckt. In seinem Entschluss zur Taufe unterscheidet sich Jesus laut Markus wohl nicht von den vielen anderen Menschen, die zu Johannes an den Jordan kommen. Der Evangelist sagt: Dieser Jesus ist ein ganz normaler Mensch.

Dieses Bild kollidiert nun ganz gewaltig mit dem, was Markus vom Geschehen unmittelbar nach der Taufe erzählt. Der Himmel öffnet sich, eine Taube kommt auf Jesus herab und eine Stimme aus dem Himmel offenbart: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (1,11). Gott selbst greift ein, öffnet für einen Moment die Grenze zwischen Himmel und Erde und offenbart, dass Jesus singulär ist, sein geliebter Sohn, dass seine göttliche Kraft auf ihn herabgekommen ist. Jesus hat Wohlgefallen bei Gott gefunden. In seiner Person kollidieren und verbinden sich Himmel und Erde, Gott und Mensch. Ein ganz normaler Mensch – und zugleich der Sohn Gottes. Er lässt sich nicht nur als das eine oder das andere verstehen, sondern nur als beides zusammen.

Mit dieser Vorstellung beginnt Markus sein Evangelium. Nicht die Engel und eine besondere Geburt offenbaren Jesu Identität, sondern Gott selbst nach der Taufe. Auch werden nicht Maria und Joseph, die Hirten oder die Weisen Zeugen und Adressaten dieser ersten Offenbarung. Bei Markus sieht nur Jesus selbst den Himmel aufreißen und die Taube auf sich herabkommen. Ob außer ihm noch jemand die Stimme Gottes hören kann, bleibt offen. Jesus selbst ist also, neben den Lesenden des Evangeliums, erster Adressat der Offenbarung Gottes. Ihm selbst gelten die Worte und Gesten Gottes – eher eine liebevolle Zusage als eine prunkvolle Proklamation. Und auch in dieser Spannung changiert die Identität Jesu zwischen dem Empfänger dieser Zusage und Offenbarung über sich selbst und der außer Frage stehenden Identität als Sohn des Gottes, der hier selbst zu ihm und den Lesenden spricht.

Mit dem Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu kann das Evangelium als Startpunkt dienen, das eigene Jesusbild mit den uns im noch jungen Kirchenjahr begleitenden Texten des Markusevangeliums zu überdenken und neue Färbungen zu ergänzen.

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