Getöteter PolizistDem Hass keinen Raum geben

Nach der Messerattacke in Mannheim sind die Bilder des gesellschaftlichen Zusammenhalts eine Wohltat – und elementare Voraussetzung für zukünftige Gewaltprävention.

Auf dem Marktplatz hat eine Großformation der Mannheimer Polizei Aufstellung genommen. Auf dem Podium sprechen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften. Rund 8000 Menschen bevölkern den Platz. Den Polizistinnen und Polizisten ist die Rührung deutlich anzusehen: Sie gedenken ihres Kollegen, der am Tag zuvor seinen schweren Verletzungen erlegen ist. Bewegt sind die Sicherheitskräfte auch, als ihnen die Menge lange Applaus spendet – als Zeichen der Anteilnahme und Dankbarkeit. „Mannheim hält zusammen“, so das Motto der Mahnwache.

Die Bilder des mit friedlichen Menschen dicht gefüllten Marktplatzes sind wichtig und heilsam. Es ist derselbe Platz, auf dem am Freitag vergangener Woche ein 25-Jähriger sechs Personen mit einem Messer attackierte, darunter der inzwischen verstorbene 29-jährige Polizist. Zum Zeitpunkt der Tat war der Platz fast leer – die Brutalität der Attacke wurde dadurch besonders sichtbar. Die Originalaufnahmen, die teils in den Sozialen Medien kursierten, sorgten bundesweit für Entsetzen. Ein zweiter Polizist hatte den Täter mit einem Schuss niedergestreckt. Dieser war bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vernehmungsfähig, das Tatmotiv nicht abschließend geklärt.

Umso größere Bedeutung kommt diesen Bildern des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu. Sie sind wie ein psychologisches Gegengift: dort der Hass eines Einzelnen, hier eine Stadt, die sich nicht auseinandertreiben lässt – über Religions- und Nationalitätsgrenzen hinweg. Dass die Mannheimer Bevölkerung derart besonnen auf den Schrecken des Angriffs und den brutalen Tod eines Polizisten reagiert, ist eine Wohltat. Denn Vorverurteilungen und populistische Parolen ließen angesichts der Tatumstände nicht lange auf sich warten. Der Angreifer stammt aus Afghanistan und kam 2014 nach Deutschland. Seine Attacke richtete sich wohl gezielt gegen eine Veranstaltung der äußerst islamkritischen „Bewegung Pax Europa“, ihr Aktivist Michael Stürzenberger wurde ebenfalls schwer verletzt.

Rechte Kräfte nutzten die Tat prompt für ihre Zwecke: Die Jugendorganisation der AfD hatte zu einer Kundgebung für „Remigration“ aufgerufen. Jedoch stand den 150 Protestlern eine Kette von fast 1000 Menschen gegenüber, um gegen Hass und Gewalt zu demonstrieren. Diese couragierte Haltung wird umso wichtiger, sollte sich ein islamistisches Motiv des Täters erhärten.

Ohne Zweifel stellt religiöser Extremismus eine Gefahr in unserer Zeit dar, und die staatlichen Sicherheitsorgane haben ihm mit größtem Einsatz zu begegnen. Ebenso braucht es klare Positionierungen und religiöse Selbstaufklärung in den Religionsverbänden – Religion kann Gewalt hervorbringen, muss es aber nicht. Das Schüren von Feindbildern und Abschiebungsfantasien tragen dagegen nicht zu mehr Sicherheit bei. Sie mehren den Hass, zersetzen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und bereiten den Boden für weitere Formen der Gewalt.

Eine offene Gesellschaft kann sich nicht durch Abschottung schützen, ohne ihren wesentlichen Kern zu verlieren: das friedliche Zusammenleben verschiedenster Kulturen, Religionen und Ansichten. Städte wie Mannheim sind lebende Beispiele dieser Offenheit und Bilder wie die der Mahnwache die unmissverständliche Ansage: Wir geben dem Hass keinen Raum. Unsere Plätze sind gefüllt mit buntem Leben.

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