EditorialFeindesliebe

Auf die aktuellen politischen Entwicklungen gibt es eigentlich nur eine Reaktion: Zusammenstehen für Verständigung.

Passend zum 80. Jahrestag der alliierten Invasion in der Normandie spielt das SWR-Symphonieorchester Benjamin Brittens War Requiem. Das 1962 in der neu errichteten Kathedrale von Coventry uraufgeführte Werk ist Gedenken an die Gefallenen und Mahnung gegen jegliche Kriege aller Zeit. Kunstvoll verwebt Britten die lateinischen Texte der Totenmesse mit Gedichten des im Ersten Weltkrieg gefallenen britischen Dichters Wilfred Owen. In einer schaurigen Auferstehung der toten Soldaten bekennt der eine dem anderen: „Ich bin der Feind, den du getötet hast, mein Freund.“

Wie eine traurige und zugleich ermutigende Aktualisierung klingt da die Äußerung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seinem Deutschlandbesuch: „Wir werden diesen Krieg nicht vererben. Europa soll ein Kontinent ohne Krieg sein.“ Dass eine Nation in tiefstem Leid fähig ist, an Wiederaufbau und Versöhnung zu denken, macht Hoffnung – besonders unter dem Eindruck der Ergebnisse der EU-Wahl.

Ihr widmen wir uns selbstverständlich in dieser Ausgabe (vgl. S. 2). Außerdem fragen wir, was ein Wunder ausmacht (vgl. S. 3), und welche Bedeutung Askese heute haben kann (vgl. S. 5).

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