Männer handeln rational, während Frauen sich von ihren Emotionen leiten lassen? Dass sich derartige Stereotype hartnäckig halten, sieht die Mainzer Moraltheologin Stephanie Höllinger in ihrer tiefen Verflechtung mit der Entstehungsgeschichte der modernen Gesellschaft begründet. Im Rahmen des Dies Academicus der Theologischen Fakultät in Freiburg rekonstruierte Höllinger die Zuschreibung vermeintlich typisch männlicher und weiblicher Charaktereigenschaft. Im Zuge der Industrialisierung sei die großfamiliäre Produktionsgemeinschaft von der häuslichen Kleinfamilie abgelöst worden, was eine Trennung von äußeren und inneren Lebensbereichen zur Folge gehabt habe: Waren bisher alle Familienmitglieder am Broterwerb beteiligt, kam diese Aufgabe nun den Männern zu, denen folglich ein aktiver und vernunftgeleiteter Charakter zugeschrieben worden sei. Frauen habe man dagegen mit Fürsorge und Emotionalität identifiziert.
Nicht zuletzt in kirchlichen Dokumenten leben diese Klischees bis heute fort – etwa, wenn Marias passive Rolle als Ideal des Frauseins vorgestellt wird. Höchste Zeit, auch einen ideellen Ausgleich der Geschlechter zu suchen!