Evangelische EventtaufenMarkttage auf dem Religionsbasar

Die Evangelische Kirche in Deutschland setzt vermehrt auch auf Massenevents. Auf einem „Tauf-Fest“ in der Bonner Rheinaue waren 4000 Menschen dabei. Eine Idee mit Zukunft?

Theodor Barth/KNA
© Theodor Barth/KNA

Es sind Bilder entspannter, glücklicher Stunden im Sonnenschein. Eine Bühne ist aufgebaut, Menschen picknicken, die Stimmung ist gelöst. Über allem scheint ein Bildfilter zu liegen. Als hätte man alte Fotos in den Diaprojektor gesteckt. Zwei Pastoren mit Sonnenbrille und protestantischem Talar laufen durch die Menschenmenge. Seht her, scheint die Aufnahme zu sagen, unser Personal ist cool und gut gekleidet, die Stimmung ist locker. Es macht Spaß, evangelisch zu sein.

Doch die Fotos sind nicht alt. Sie stammen aus diesem Sommer. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) setzt vermehrt auf Massenevents. Taufpartys wie jetzt in Bonn sind darunter, aber auch Spontan-Trauungen mit pinkfarbenem Himmelbett auf der grünen Wiese. Der Erfolg scheint den Veranstaltern Recht zu geben: Balsam für die Seele in Zeiten, in denen die evangelischen Kirchen allein im letzten Jahr 380000 Mitglieder verloren haben. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, ist bei genauerem Hinsehen nur eine Anpassung an die nicht mehr zu leugnende Rolle als Minderheit innerhalb einer religiös zumindest indifferenten Mehrheitsgesellschaft. Was die EKD tut, ist nichts anderes als eine Rückkehr in eine Zeit, als es noch keine sich wiederholenden Rituale gab, die Halt gaben, eben weil es noch keine eigene Geschichte und Tradition gab, in die man sich einfügen konnte. Eine solche war gerade erst im Begriff zu entstehen. Das weiß jede neue Religionsgemeinschaft, die versucht, auf dem Basar der Weltanschauungen eine Nische zu finden. In gewisser Weise kommt der Protestantismus in diesen Massenevents also wieder an einen Null- und damit Anfangspunkt.

Das muss per se nichts Schlechtes sein. Wenn durch solche Events Menschen zum Glauben geführt werden, umso besser! Es birgt aber große Gefahren, wie sie jedes Start-up kennt: Denn das Angebot an religiösen Ausdrucksformen ist riesig und erinnert an die Spätantike, in der das Christentum entstand. Zudem gibt es genug Konkurrenz im eigenen Haus. Evangelikale (Pfingst-)Kirchen haben das „Event“ schon seit langem professionalisiert. Was hat die EKD da Eigenes, noch Spannenderes zu bieten? Und wie die Menschen langfristig auch in ihrem Alltag binden? Auf den Sommer mit Pizza und Rosé folgt zwangsläufig der lange, graue Winter des Immergleichen. Genau deshalb entwickelten sich Rituale, die das Jahr strukturierten, Gottesdienste, deren Ablauf fixiert war, Kirchenbauten, die Schutz vor dem eisigen Wind boten.

Sollte es die katholische Kirche der evangelischen gleichtun oder skeptisch bleiben? Immerhin hat man ein Angebot, das auf diesem Sinn-Bazar sonst so niemand anbietet: die Verstetigung und Entzeitlichung des Events. Man nennt es Tradition und Ritual. Beide sind heute hochumstritten; scheinen unzeitgemäß und ungehörig angesichts der heftigen inhaltlichen Streitthemen und der pastoralen Verfehlungen. Die katholische Kirche steht aber nicht erst seit Franziskus im Widerspruch, gleichzeitig „arme Kirche“ sein zu wollen und frohgestimmte ecclesia triumphans sein zu müssen. Doch das gibt ihr eine Einzigartigkeit, die über jedes Sommerfestival hinausgeht. Auf einer bildlichen und sinnlichen Ebene, die zu jeder Religionsgemeinschaft dazugehört und die sich nicht gegen andere Ebenen ausspielen lässt – auf dieser Ebene des Erlebens kann und muss die katholische Kirche sagen: Seht her – wir gehorchen nicht den Regeln des Marktes, wir sind nicht am Nullpunkt. Wir fangen gerade erst an.

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