Vergangene Woche wurde bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Pennsylvania ein Attentat auf Donald Trump verübt. Ein junger Mann, über dessen Motiv bislang wenig bekannt ist, schoss auf den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, als dieser gerade eine Rede hielt. Pennsylvania ist ein Swing State, das heißt, einmal erhalten die Demokraten, ein anderes Mal die Republikaner eine knappe Mehrheit. Entsprechend ringen beide Parteien dort um die Wählergunst. Deshalb trat Trump in der Kleinstadt Butler auf.
Er hatte erst wenige Minuten gesprochen, als eine Kugel sein Ohr streifte. Instinktiv warf er sich auf den Boden. Sofort umringten ihn seine Leibwächter, gleichzeitig wurde der Attentäter erschossen. Trump erlitt nur leichte Verletzungen, doch hätte er durchaus sterben können. Ein unbeteiligter Zuschauer wurde tödlich getroffen.
Trump schafft ikonische Bilder
Wie sich zeigte, hat Trump einen unglaublichen politischen Instinkt und einen starken Willen zur Macht: Nachdem er einige Sekunden unter Schock stand, nutzte er die Gelegenheit gezielt für seinen Wahlkampf. Mehrfach reckte er die geballte Faust in die Luft und rief seinen Anhängern zu „Fight! Fight! Fight!“. Schließlich drängten ihn die Leibwächter von der Rednerbühne, die er zu seiner Bühne gemacht hatte.
In diesen wenigen Augenblicken entstanden geradezu ikonische Bilder, die in den Sozialen Medien, im Fernsehen und in den Zeitungen millionenfach angesehen wurden.
Interessanterweise gab Trump seinem Überleben aber keine eindeutig religiöse Deutung, indem er etwa die Kategorie des Wunders bemühte. In einem Interview am Tag danach sprach er lediglich vage davon, vom Glück oder von Gott gerettet worden zu sein. Dabei hatte er erst vor wenigen Monaten damit begonnen, die sogenannte God bless the USA-Bibel zu verkaufen. Sie enthält neben dem Alten und Neuen Testament zentrale Rechtstexte der USA wie die Verfassung. Wenn Gott die Vereinigten Staaten segnen soll, wie es der genannte Slogan suggeriert, dann wirkt er dadurch in der Geschichte.
Von einem besonderen Eingreifen Gottes gehen auch die biblischen Autoren aus, etwa beim Auszug Israels aus Ägypten oder bei der Auferweckung Jesu Christi. Außerdem hat die Theologie umfassende Vorsehungskonzepte entwickelt.
Dass die Vorstellung eines Geschichtshandelns Gottes sorgfältig reflektiert werden muss, ist dabei klar. Mit theologischen Problemstellungen hält Trump sich allerdings nicht auf. Vielmehr tut er alles, um Stimmen aus dem wertkonservativen und pentekostal-evangelikalen Lager zu erhalten. So hat er den Verkauf der God bless the USA-Bibel damit begründet, dass das Christentum gestärkt werden müsse, um Amerika wieder groß zu machen.
Selbst gilt er freilich als nicht sonderlich streng, was Glauben oder Moral betrifft. Stattdessen stilisiert er sich als ein unbeugsamer Held, dem selbst ein Mordanschlag nichts anhaben kann. Anders als noch vor wenigen Monaten tritt er zuletzt recht kontrolliert, beinahe schon staatsmännisch auf. Wechselwähler, die sein bislang oft aggressives Verhalten abschreckte, könnten ihr Kreuz deshalb nun bei den Republikanern machen.
Warum die Demokratische Partei sich rasch etwas einfallen lassen muss
Bei manchen Amerikanern mag es nun sogar einen Mitleidsfaktor für einen in aller Öffentlichkeit angegriffenen Politiker geben. Trumps inszenierter Stärke steht dabei die offenkundige Schwäche des amtierenden Präsidenten Joe Biden gegenüber. Selbst innerhalb der Demokratischen Partei bestehen Zweifel, ob Biden der richtige Kandidat für die im November anstehende Wahl ist.
Der Druck steigt zusätzlich, weil Trump den jungen Senator J. D. Vance zu seinem Stellvertreter (running mate) gemacht hat. Vance hat sich aus einfachen Verhältnissen durch Militärdienst und Studium hochgearbeitet, dabei seine Bodenhaftung behalten. Im Jahr 2019 getauft, ist er praktizierender Katholik und gehört damit einer großen Wählergruppe an. Mit seiner hinduistischen Frau und mehreren Kindern lebt Vance im Mittleren Westen. Wenn die bei vielen Amerikanern inzwischen als elitär, urban und säkular geltende Demokratische Partei noch gewinnen will, dann muss sie sich etwas einfallen lassen – möglichst rasch.