Olympische Spiele IAttraktives Abendmahl?

Wurde bei der Eröffnungsfeier das „Festmahl der Götter“ oder doch das Letzte Abendmahl parodiert? In jedem Fall übersieht eine rein abwehrende Reaktion eine Pointe, die Perspektiven eröffnen könnte, wie unser Autor kommentiert.

Zu den wenigen Ereignissen, die noch Menschen über Kommunikationsblasen hinaus miteinander verbinden, gehören Eröffnungsfeiern Olympischer Spiele. Umso erfreulicher eigentlich für die Kirchen, wenn dabei christliche Gedanken und Motive eine prominente Rolle spielen. Bei der ambitionierten Eröffnung der Spiele in Paris war dies unerwartet der Fall. Unter anderem erinnerte eine Szene an das Letzte Abendmahl (auch wenn die Verantwortlichen auf ein anderes „Vorbild“ verweisen). Am Tisch saßen freilich um eine Drag-Queen herum Menschen, die man wohl selten in einer Eucharistiefeier trifft. Nicht nur in traditionalistischen Kreisen stieß dies erwartungsgemäß auf Missfallen. Die Bischofskonferenz machte „Szenen des Spotts und der Verhöhnung des Christentums“ aus und kritisierte die „ideologischen Vorlieben einiger Künstler“.

Aus dieser Stellungnahme spricht wohl auch die durch jahrzehntelange Exkulturation geprägte Verunsicherung des französischen Katholizismus. Unter anderem wird der teilweise flächendeckende Wegfall einer regelmäßigen Feier des Herrenmahles bzw. der Eucharistie von den Bischöfen schon länger hingenommen. Auch vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, wie bekannt die christliche Urpraxis jesuanischen Mahlhaltens aller Säkularisierung zum Trotz bleibt. So präsentierte ausgerechnet das streng laizistische und mittlerweile säkularisierte Frankreich einem Weltpublikum das Kerngeschehen christlicher „Kommunion“ als Symbol des Miteinanders, wenn auch in durchaus fragwürdiger künstlerischer Verfremdung. Die defensive Reaktion hierauf lässt allerdings kaum Resonanzmöglichkeit für eine Deutung, die eine offensichtlich universale Attraktivität des Abendmahls entfalten könnte.

Nun kann man über Geschmack streiten. Ebenso über die Frage, inwieweit Kunst (und auch Kommerz) religiöse Gefühle besser respektieren müsste. Dennoch: Könnte die säkulare Attraktivität eines christlichen Kernrituals der Kirche nicht auch zu denken geben? Sollten Christinnen und Christen vor diesem Hintergrund nicht gerade heute und heutig einladend „Danke“ sagen („Eucharistie“) für einen Gott, der sich das Heil aller Menschen auf die Fahne schreibt? Der sich in seinem Sohn Jesus Christus mit Sündern und Marginalisierten an einen Tisch setzt? Den Christinnen und Christen um die Sendung des Geistes bitten, damit er mit den Gaben von Brot und Wein auch unsere Welt auf Fülle hin „wandelt“?

Vielleicht lohnt in der Kontroverse und auch angesichts der vielen mittlerweile verwaisten Kirchen in Frankreich ein Blick in die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dort heißt es in der Nummer 38: „Alle aber befreit er, damit sie durch Absage an ihren Egoismus und unter Dienstbarmachung aller Naturkräfte für das menschliche Leben nach jener Zukunft streben, in der die Menschheit selbst eine Gott angenehme Opfergabe wird. Ein Angeld dieser Hoffnung und eine Wegzehrung hinterließ der Herr den Seinen in jenem Sakrament des Glaubens, in dem unter der Pflege des Menschen gewachsene Früchte der Natur in den Leib und das Blut des verherrlichten Herrn verwandelt werden zum Abendmahl brüderlicher Gemeinschaft und als Vorfeier des himmlischen Gastmahls.“

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