Content-Moderatoren Digitale Müllabfuhr

Hinter der glitzernden Bildschirmwelt der sozialen Medien arbeiten tausende Menschen unter schweren Bedingungen dafür, dass wir keine Grausamkeiten sehen müssen. Mit den Folgen werden sie alleingelassen.

Stellen Sie sich eine Stadt vor, in deren Straßen sämtliche unmenschlichen Grausamkeiten regelmäßig und offen ausgetragen werden. Doch jedes Mal, bevor Sie diesen Ort betreten, wird ein Kommando losgeschickt, um die Gewalttäter zu vertreiben sowie die Leichen, das Blut oder sonstige Verheerungsspuren zu beseitigen. Nur so werden Sie vor diesem Anblick und den dort lauernden Gefahren bewahrt. Was absurd klingen mag, geschieht tatsächlich jeden Tag millionenfach auf der Welt.

Bei der hier beschriebenen „Stadt“ handelt es sich jedoch nicht um ein steinernes Gebilde, sondern um die großen Internet-Plattformen namens Instagram, Facebook oder YouTube. Diese gigantischen Tech-Konzerne beschäftigen weltweit hunderttausende sogenannter Content-Moderatoren (Inhaltsmoderatoren), die als „digitale Müllabfuhr“ täglich tausende auf den Plattformen hochgeladene und als heikel eingestufte Bilder und Videos sichten, bewerten und im Zweifelsfall löschen, sodass die Nutzer geschützt und Internetkriminalität eingedämmt werden können. Die zu prüfenden Fotos zeigen dabei häufig die denkbar schlimmsten Szenerien wie Kindesmissbrauch, Gewaltexzesse, Selbstverletzungen, Vergewaltigungen oder Enthauptungen durch Terroristen.

Content-Moderatoren gibt es zwar bisweilen auch in Deutschland, aber die meisten von ihnen arbeiten in von den Tech-Giganten ausgelagerten Subunternehmen in Afrika oder auf den Philippinen. Dort müssen sie unter ausbeuterischen Bedingungen – Knebelverträge, hohes Arbeitstempo, Schweigeverpflichtungen, zu kurze Pausen, keine psychologische Betreuung etc. – jeden Tag aufs Neue eine Flut verstörender Bilder bewerten. Oft führt die ständige Konfrontation mit diesen Grausamkeiten bei den Mitarbeitern zu schweren psychischen Problemen wie dem Posttraumatischen Stresssyndrom, Depressionen, Angststörungen oder zu Suchterkrankungen.

So zählen die ausgebeuteten „digitalen Müllmänner und -frauen“ zu den vielen Ausbeutungsopfern auf der Welt, die leiden müssen, damit wir im Westen unseren modischen, technischen oder seelischen Komfort genießen können. Ein himmelschreiender Missstand, der gerade die Christinnen und Christen bewegen und wachrütteln sollte. Auch Papst Franziskus prangert regelmäßig Ausbeutung und Versklavung an und plädiert dafür, „auf den Hilfeschrei der Menschen zu hören, die leiden“, und entsprechend zu handeln.

Was aber könnte getan werden, um die Situation der Content-Moderatoren zu verbessern? Als Erstes gilt es, ein Bewusstsein für deren Existenz und ihre schwierigen Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dann müssen die großen und superreichen Konzerne wie die Facebook-Mutter Meta und Co. klar und deutlich in die Verantwortung genommen und dazu gezwungen werden, in Zukunft besser für ihre Inhaltsmoderatoren zu sorgen. Schließlich erledigen diese für sie und ihre Kunden im wahrsten Sinne des Wortes die Drecksarbeit. Die Moderatoren sollten deshalb umfangreiche psychologische Betreuung, ausreichend Erholungspausen und bessere Bezahlungen sowie die Möglichkeit, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren, erhalten. Und nicht zuletzt ist es auch die Aufgabe eines jeden Nutzers, das eigene Verhalten auf den Plattformen zu reflektieren und dazu beizutragen, nicht Unmenschlichkeit oder Hass im Netz zu befeuern, sondern vielmehr Menschlichkeit und Hoffnung.

Anzeige: Traum vom neuen Morgen. Ein Gespräch über Leben und Glauben. Von Tomáš Halík

Der CiG-Newsletter

Ja, ich möchte den kostenlosen CiG-Newsletter abonnieren und willige in die Verwendung meiner Kontaktdaten zum Zweck des E-Mail-Marketings durch den Verlag Herder ein. Den Newsletter oder die E-Mail-Werbung kann ich jederzeit abbestellen.
Ich bin einverstanden, dass mein personenbezogenes Nutzungsverhalten in Newsletter und E-Mail-Werbung erfasst und ausgewertet wird, um die Inhalte besser auf meine Interessen auszurichten. Über einen Link in Newsletter oder E-Mail kann ich diese Funktion jederzeit ausschalten. Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.