Christopher-Street-Days in Bayern und SachsenLackmustest der Demokratie

Die jüngsten Hassproteste gegen Queer-Paraden gehen uns alle an, denn sie stellen eine Gefahr für die Demokratie dar, kommentiert Wolfgang F. Rothe.

Pfaffenhofen an der Ilm ist eine idyllische Kreisstadt nördlich von München mit knapp 30000 Einwohnern. Der Ort ist konservativ und katholisch geprägt, die CSU stellt die mit Abstand größte Stadtratsfraktion. Am vergangenen Samstag wurde hier erstmals ein Christopher-Street-Day (CSD) mit Parade und anschließendem Bühnenprogramm gefeiert. Anfangs wirkte die Schar von rund 400 queeren Menschen ein wenig verloren. Hier und da standen zwar kleinere Menschengruppen am Straßenrand und applaudierten, aber es galt auch den einen oder anderen argwöhnischen, wenn nicht missbilligenden Blick auszuhalten. Gleichwohl verlief alles friedlich: Weder kam es zu verbalen noch zu tätlichen Übergriffen.

Dass queeren Menschen mit Respekt begegnet wird, ist im konservativ und katholisch geprägten Oberbayern noch keineswegs überall selbstverständlich; da könnte etwas Unterstützung von außen hilfreich sein, dachte ich und war eigens zum CSD angereist. Als notwendig erwies sich das nicht: Pfaffenhofen zeigte sich von seiner besten Seite.

Ortswechsel. Bautzen in Sachsen, ebenfalls eine idyllische Kreisstadt. Hier leben etwas weniger als 40000 Menschen. Auch hier wurde am vergangenen Wochenende CSD gefeiert, und zwar bereits zum zweiten Mal. Was sich in Bautzen ereignete, konnte man in den darauffolgenden Tagen aus den Medien erfahren: Den etwa 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des CSDs standen an die 700 Gegendemonstranten gegenüber, darunter zahlreiche Rechtsextreme und Neonazis – zusammengetrommelt aus dem gesamten Bundesgebiet. Es wurden Regenbogenflaggen verbrannt, Hassparolen gebrüllt, queere Menschen verbal attackiert. Nur ein massives Polizeiaufgebot verhinderte wohl körperliche Gewalt. Die geplante Abschlussparty musste aus Sicherheitsgründen abgesagt werden.

Die Bilder eines hasserfüllt grölenden Blocks zeigen Deutschlands dunkelste Seite. Eines sei an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck gebracht: Niemand muss einen CSD notwendig oder gar toll finden. Niemand muss Regenbogenfahne schwenkend daran teilnehmen oder dem Zug vom Straßenrand aus zujubeln. Es fällt unter das Recht auf freie Meinungsäußerung, einen CSD zu missbilligen – auch öffentlich.

Was in Bautzen geschah, war aber weit mehr als die Missbilligung einer Veranstaltung. Hier wurde das Recht queerer Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben, ja ihr bloßes Existenzrecht offen infrage gestellt.

Sowohl in Pfaffenhofen als auch in Bautzen hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, queeres Leben gerade auch in Kleinstädten und auf dem Land sichtbar zu machen. Sowohl in Pfaffenhofen als auch in Bautzen ist noch einiges an Geduld und Überzeugungsarbeit nötig, um queeres Leben als selbstverständlichen Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft zu etablieren.

Wo aber, wie in Bautzen, queere Menschen unverhohlen bedroht werden, gerät die Grundlage unseres friedlichen Zusammenlebens in Gefahr. Die mutigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der CSDs stehen für eine offene Gesellschaft ein. Deshalb sollten alle Demokraten – gerade auch dann, wenn sie sich als konservativ und katholisch verstehen – nicht länger wegsehen und schweigen, wenn diese Gruppen angegriffen werden. Womöglich sind gerade sie es, die von den Demokratiefeinden als Nächste ins Visier genommen werden.

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