Eigentlich wollte ich mir auf Instagram nur einen kurzen Beitrag anschauen, den ein Freund mir als Empfehlung geschickt hat. Im Anschluss scrolle ich nach unten und klicke auf das nächste Video, dann wische ich über ein paar Beiträge hinweg und schon kommt der nächste Beitrag, der mich reizt. So geht es weiter, und als ich die App schließe, stelle ich erstaunt fest, dass eine Stunde vergangen ist. Dahinter steckt natürlich System. Algorithmen spielen mir auf den Schirm, was ich persönlich interessant, inhaltlich gut oder witzig finde. Erhebungen zeigen, dass über 80Prozent der Deutschen eine oder mehrere solcher digitalen Plattformen nutzen und dort durchschnittlich knapp 100 Minuten am Tag verbringen.
Ein Moment der Zerstreuung, in dem ich alles in der Hand habe: Wenn mir etwas nicht gefällt, reicht eine minimale Bewegung mit dem Finger und es ist weg aus meinem Blickfeld. Das Bedürfnis, mich dort aufzuhalten, wo ich mich wohlfühle, kenne ich auch in meinem analogen Alltag. Dort aber sind unangenehme Situationen unausweichlich und das, was gerade nicht zu meiner Stimmung passt, lässt sich nicht so leicht wegwischen.
Wie ist das bei meinem Glauben? Da entscheide auch ich, was ich mir nahegehen und was ich beiseitelasse. Folge ich da vielleicht unbewusst so etwas wie inneren Algorithmen und damit dem Impuls, mich vor allem bei dem aufzuhalten, was mich gerade in meiner Gedankenwelt bestärkt, und das zu übergehen, was mich provozieren könnte?
Die meisten der zahlreichen Menschen, die Jesus in einem kurzen Moment erlebt haben, sind im Anschluss einfach weiter ihrem Alltag nachgegangen. Einige haben sich ansprechen lassen und sind ihm ein Stück weit gefolgt. Die meisten jedoch haben sich wieder von ihm abgewendet. Mit der Zeit fanden sie vermutlich einzelne Aussagen Jesu nicht überzeugend genug oder sogar anstößig und ärgerlich. Historisch betrachtet spricht vieles dafür, dass Jesus selbst mit deutlich mehr Zuspruch gerechnet hatte. Er sah sich in der Sendung, das zerstreute Israel zu sammeln, und setzte wohl auf die Sehnsucht der Jüdinnen und Juden nach einem geeinten Volk Gottes, das auf alle Völker ausstrahlt. Die vom Evangelisten Johannes überlieferte Frage Jesu: „Wollt auch ihr weggehen?“, mag Zeugnis über die Verwunderung geben, dass so wenige Menschen, die mit den Verheißungen der Tora aufgewachsen sind, in seine Nachfolge traten. In ihm zeigte sich doch Geist und Leben Gottes (vgl. Joh 6,63)!
Für Christinnen und Christen heute kann die Frage Auslöser einer Nachdenklichkeit sein. Bleibe ich an Jesus dran; auch an den Worten, die mir gerade nichts zu sagen scheinen oder sogar eine Zumutung sind? Ignatius von Loyola legt in seinen Exerzitien nahe, uns gerade in unseren Gewohnheiten anfragen zu lassen und mit dem Glauben gegenzusteuern. Das könnte bedeuten, bewusst den Worten Jesu Aufmerksamkeit zu schenken, an denen ich Anstoß nehme. Genau dort kann etwas verborgen sein, was mich menschlich und geistlich wachsen lässt. Kontraintuitiv wäre das allemal. Aber es könnte helfen, Jesu Worte in mehr alltäglichen Situationen auf dem Schirm zu haben.