Filmset und Friedhof, beides ist Oliver Fleischer vertraut. „Durch meine langjährige Tätigkeit auf weit über 60 Friedhöfen, bei den unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften und Kulturen, habe ich gemerkt, dass Sargtragen weit mehr ist als eine Dienstleistung“, schreibt der Film- und Theaterschauspieler in seinem Buch Der Oma hätte das gefallen. Dessen Botschaft ist eine Mischung aus memento mori und carpe diem: sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst zu sein und gleichzeitig das Leben, so wie es kommt, möglichst zu genießen. Schließlich gehört auch der Tod zum Leben. Fleischer wurde durch eine Zeitungsannonce auf die ungewöhnliche nebenberufliche Tätigkeit aufmerksam. Heutzutage sind Sargträger in vielen Regionen Deutschlands ein seltenes Gut, der Nachwuchs ist rar. Es gibt eine gewisse Scheu vor allem, was mit dem Tod zu tun hat.
Fleischer ist es ein Anliegen, diese Scheu überwinden zu helfen. Seine niedergeschriebenen Erfahrungen sollen dazu beitragen. Für ihn gehören die Teilnahme und das Engagement bei Beerdigungen von Verstorbenen verschiedenster Religionen inzwischen zum Alltag. Während der Zeremonien sieht er sich als Beobachter, aber vor allem stillen Begleiter: Er trägt Sarg oder Urne und bekommt dabei auch die Last der Trauer mit. Egal, wie alt ein Verstorbener ist, durch den Tod verändert sich das Leben der Hinterbliebenen nahezu immer. „Der Tod ist nie fair“, findet Fleischer. „Der Mensch wird immer fehlen.“ Nicht nur die Vergänglichkeit des Lebens ist Oliver Fleischer als Sargträger bewusst geworden, sondern auch, dass alle Menschen in ihrer Trauer gleich sind: „Es gibt in diesem Moment keinen Unterschied zwischen Nation, Hautfarbe oder Herkunft. Denn am Ende fühlen wir als Menschen alle den gleichen Schmerz über den Verlust.“ Immer häufiger gibt es dennoch einsame Abschiede. Dann steht niemand – außer Fleischer oder einer seiner Kollegen – am Grab:„Dann spreche ich ein letztes Gebet, einen letzten Gruß.“
Bei seinem Dienst ist es dem 50-Jährigen eine Herzensangelegenheit, dass Beerdigungen pietätvoll, respektvoll und größtenteils reibungslos verlaufen. Tatsächlich kommt es meistens zu keinen großen Vorkommnissen. Doch manchmal liegen Tragik und Komik eng beieinander – wovon Oliver Fleischer in ausgewählten skurrilen und kuriosen Anekdoten erzählt. So ist er schon einmal ungewollt in einer Grabstätte gelegen. Der grüne Kunstrasen und die Trittbretter gaben einfach nach und er fiel kopfüber ins ausgehobene Loch.Auch vom Bestatter im Sarg vergessene Handys klingelten schon während der Trauerzeremonie.
Seine Sichtweise auf das Leben habe sich in den letzten Jahren verändert, so Fleischer, der katholisch aufgewachsen ist und sich als gläubig bezeichnet. Bei bis zu drei oder vier Beerdigungen am Tag von Menschen verschiedensten Alters lasse sich sehen, wie schnell einen der Tod ereilen könne. Und es gibt immer wieder tieftraurige Momente, die auch für einen erfahrenen Sargträger eine emotionale Ausnahmesituation bedeuten. Etwa wenn Kinder beerdigt werden oder ein Elternteil viel zu früh verstirbt. Ein kleines Mädchen fragte Fleischer und seine Kollegen während einer Beerdigung auf dem Weg zum Grab nach dem Lieblingseis. Als niemand eine Antwort gab, meinte das Kind: „Weißt du, meine Mama, die jetzt da in dem Sarg liegt, isst am liebsten Zitroneneis.“