Welttag der sozialen KommunikationsmitteWenn Maschinen sich verrechnen

Ein „Softwarefehler“ beschäftigt das politische Deutschland – und zeigt einmal wieder, dass man sich nicht blind auf technische Programme verlassen darf.

Es ist nicht mehr die Frage, ob Künstliche Intelligenz unsere Zukunft prägen wird, sondern nur noch, wie gut wir ihr dabei auf die Finger schauen können. So lässt sich die Mitteilung zusammenfassen, die Medienbischof Kardinal Reinhard Marx zum katholischen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel diesen Sonntag herausgegeben hat. „Wir erleben leider immer wieder, dass öffentliche Diskurse und Meinungsbildung durch einen intransparenten Einsatz von Algorithmen gesteuert und manipuliert werden. Fake News und Deepfake sind ein alltägliches Risiko geworden.“ Es brauche eine neue Medienkompetenz – eine, die weit über das Erkennen von verdächtigen Spam-Mails hinausgeht und Menschen Werkzeuge an die Hand gibt, ganz grundsätzlich zu verstehen, wie die Algorithmen arbeiten, die um uns herum am Werk sind. „Als Kirche möchten wir die Sensibilität in der Gesellschaft für dieses Thema fördern“, betonte Marx. „Denn diese Fragen gehen uns alle an.“

Wie wichtig solche Medienkompetenz ist, wie sehr sie tatsächlich den ganz realen Alltag beeinflussen kann, zeigte sich am vergangenen Wochenende bei der Wahl in Sachsen. Nach den ursprünglichen Rechnungen hätte die AfD womöglich genug Sitze im Landtag erreicht, um alle Zweidrittel-Entscheidungen zu blockieren. Nach Stunden des Bangens, kam die „Entwarnung“ – nach korrekter Zählung hat die AfD einen Sitz weniger, sie kann also nicht im Alleingang die Nachbesetzung einflussreicher Posten oder eine mögliche Auflösung des Landtags verhindern. Die Wahlleitung sprach von einem „Softwarefehler“, der ein veraltetes Rechenmodell zugrunde gelegt hatte. Ob es sich tatsächlich um eine technische Panne oder einen gedankenlosen Nutzerfehler gehandelt hat, wird sich womöglich nicht mehr ganz rekonstruieren lassen. Fest steht aber, dass eine falsch eingestellte Rechenmaschine um ein Haar über die politische Zukunft von vier Millionen Bürgerinnen und Bürgern entschieden hätte.

Was lernt man daraus?

Man kann aus dieser Episode, die wohl als Fußnote in die Geschichte der deutschen Demokratie eingehen wird, einige Lektionen ziehen. Zum einen: Dass auch schwerwiegende Fehler offen kommuniziert und korrigiert werden können, ist ein Zeichen einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft – auch wenn aus dem rechten Lager wie zu erwarten Murren kam, das deutlich zeigt, dass es manchem mehr um die eigene Macht geht als um eine korrekte Auszählung der Stimmen. Zweitens: Irren ist menschlich, doch auch Maschinen sind nicht unfehlbar. Obwohl wir uns im Alltag so oft darauf verlassen, dass die Zahlen, welche Digitaluhr, Tempomat oder Kassenzettel anzeigen, korrekt sind, muss auch immer noch Platz sein für Zweifel. Und im Zweifel lohnt es sich, noch einmal hinzuschauen, ganz nach dem berühmten Paulus-Motto „Prüft alles“ (1 Thess 5,21).

Was man bei den kleinen Fragen des Alltags selbst überprüfen muss, ist bei großen gesellschaftlichen und politischen Themen die Aufgabe von Journalisten und Redaktionen, die Dinge hinterfragen und Fehler ans Licht bringen können. Nicht umsonst gehörte das Online-Portal Wahlrecht.de zu den Ersten, die die Sitzeverteilung im Sächsischen Landtag anzweifelten und auf eine Neuberechnung bestanden. Vielleicht kann das die Botschaft dieses Tags der Kommunikationsmittel sein: Je undurchsichtiger die Welt wird, desto wichtiger sind engagierte Journalistinnen und Journalisten. Denn nicht nur irren ist menschlich – hinterfragen ist es auch.

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