Sprache als politisches MittelIm Anfang ist das Wort

Wie wir über Krisen und Probleme in der Welt sprechen, hat Einfluss darauf, wie wir über sie denken. Ein Plädoyer, bedacht mit Worten umzugehen.

In der aktuellen Welt- und Nachrichtenlage ist nicht nur eine erschreckende Zunahme von tatsächlicher Gewalt, sondern auch eine wachsende verbale Aufrüstung zu verzeichnen. Dabei werden häufig bestimmte Begriffe durch eine manipulative, überspitzte oder euphemistische Verwendung zu problematischen Schlag-Wörtern „umgeschmiedet“.

Ein Beispiel für eine fälschlich-zuspitzende Wortwahl ist die gegenwärtige Genozid-Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof. Hier werden auf geschichts- und definitionsvergessene Weise die Tatsachen verdreht: Israel ist kein Kolonialstaat, der die Palästinenser auslöschen will, sondern der einzige (bislang) sichere Hafen für alle Juden dieser Welt, der infolge der Shoah-Gräueltaten der Nationalsozialisten gegründet wurde. Die 1948 beschlossene „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“, auf die sich jetzt Südafrika mit seiner Klage beruft, war ebenfalls eine Reaktion auf den Holocaust. Zudem stellt das militärische Eingreifen Israels im Gazastreifen eine Reaktion auf die Angriffe und Terrorakte seit dem 7. Oktober durch die Hamas dar, auf deren ideologisch- aufgepeitschte Gräueltaten viel eher der Begriff des Genozids zutreffen würde.

Ein besonders erschreckendes Exempel für eine fälschlich-verharmlosende Verwendung eines Wortes stellt wiederum der Begriff „Remigration“ dar, der durch die Aufdeckung eines rechten Geheimtreffens öffentlich gemacht und inzwischen sogar zum Unwort des Jahres 2023 gewählt wurde. Mit diesem auf den ersten Blick eher harmlos klingenden Euphemismus ist schlichtweg nichts anderes gemeint als die zutiefst unmenschliche Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund. Mit solchen Tarnbegriffen werden durch rechte Kreise bewusst die Grenzen des Sagbaren – und in letzter Konsequenz des Machbaren – immer weiter verschoben.

Deshalb braucht es gerade jetzt einen besonders aufmerksamen, reflektierten und bedachten Umgang mit diesen kursierenden heiklen Begrifflichkeiten. Wie aber lassen sich verzerrende oder verschleiernde Worte entlarven? Hierbei kann das gute alte römische cui bono? („Wem nützt das?“) hilfreich sein oder eine Rückbesinnung auf die Fünf Notruf-Ws aus dem Erste-Hilfe-Kurs: Wo wurde das Wort verwendet? Wer hat es benutzt? Was wurde gesagt? Wie viele sind davon betroffen? Warten auf Rückfragen (sprich: Die Worte genau hinterfragen, sich informieren und über sie nachdenken).

Und dann heißt es natürlich – wie immer bei Notfällen – zu handeln: Nicht die fälschlichen Begrifflichkeiten in den Sprachgebrauch übernehmen, sondern entschiedenen Widerspruch einlegen, aufklären und natürlich vor allem die Betroffenen solidarisch unterstützen und schützen!

Unterstützung beim Engagement gegen verschleiernde Begrifflichkeiten kann man auch im Evangelium finden, denn Jesus plädiert immer wieder für eine klare und eindeutige Wortwahl. Bei Matthäus schärft er seiner Zuhörerschaft ein: „Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen“ (Mt 5,37). Im selben Kapitel findet er drastische Worte gegen die dunklen Tendenzen im Menschen, etwa: „Wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg!“ (5,29). Auf die Frage der Wortwahl übertragen könnte man deshalb vielleicht raten: Wenn dich dein Mund zum Bösen verführt, dann halte ihn lieber.

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