Bussvigil zu Beginn der WeltbischofssynodeEin entscheidender Mosaikstein

Die Synodenversammlung wird mit einem öffentlichen Bußakt eröffnet. Solche Vergebungsbitten sind mehr als nur Symbolpolitik, findet unser Autor. Sie sind unverzichtbar, wenn die Kirche neue Glaubwürdigkeit gewinnen will.

Es sollte der letzte Weltjugendtag für den Erfinder dieser Treffen sein. Papst Johannes Paul II. lud 2002 die Jugend der Welt nach Toronto ein. Ich durfte mit meiner damaligen Jugendgruppe aus Eutin nach Kanada reisen. In einer Predigt bat der greise Papst die Jugend der Welt um Vergebung für die Sünden, die von kirchlichen Amtsträgern begangen worden waren – auch in Form von Missbrauch und sexualisierter Gewalt. Zumindest in der deutschsprachigen Öffentlichkeit wurde diese Vergebungsbitte damals aber kaum erwähnt. Das hat mich sehr enttäuscht. Denn gerade meine Jugendgruppe und ich – wir standen in der ersten Reihe – fanden Johannes Paul II. dabei sehr authentisch und beeindruckend.

Bereits zwei Jahre zuvor hatte derselbe Papst Kirchengeschichte geschrieben, als er erstmals öffentlich von den „Sünden der eigenen Kirche wider Schutzbefohlenen“ gesprochen hatte. Im Pontifikalgottesdienst zu Beginn der Fastenzeit im Heiligen Jahr 2000 rief er dazu auf: „Lasst uns beten für alle Menschen auf der Erde, besonders für die Minderjährigen, die missbraucht wurden, für die Armen, Ausgegrenzten und Letzten.“

Mir persönlich haben beide Schuldbekenntnisse sehr geholfen, meiner Berufung treu zu bleiben. Denn ich selbst musste an manchen Orten meines priesterlichen Dienstes den Missbrauch von lebenden oder verstorbenen Mitbrüdern aus der Vergangenheit mit aufarbeiten. In meinem Gewissen kam immer wieder die bange und bittere Frage hoch, ob ich in dieser Kirche meinen Dienst ausüben möchte und kann – im Bewusstsein, dass ich zum Leib Christi gehöre, der solche Gewalt mit ermöglicht hat.

Selbstverständlich leiden unter der Missbrauchskrise zuallererst die Betroffenen. Aber wenn von systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt gesprochen wird, übersehen manche Fachleute, dass die dadurch aufgebürdete Last auch für diejenigen, die qua Weihe und Loyalitätsversprechen Teil dieses Systems sind, schier unerträglich werden kann. Man möchte schreien und weglaufen, weiß aber zugleich, dass damit den wirklich Betroffenen noch weniger geholfen wäre. Umso dankbarer war und bin ich, dass es Worte aus Rom gibt, die ich bis heute glauben und denen ich vertrauen kann.

Dazu wird nun auch gehören, dass vor der zweiten Sitzungsperiode der Weltbischofssynode eine Bußvigil abgehalten wird. Drei Menschen, die unter den Sünden von Männern und Frauen der Kirche gelitten haben, werden dabei ein Zeugnis geben. Anschließend soll in einem gemeinsamen Bußakt verschiedene Schuld angesprochen werden. „Es geht nicht darum, die Sünden der anderen anzuprangern, sondern sich selbst als Teil derer zu erkennen, die durch ihr Handeln oder Unterlassen Leid verursacht haben“, erklärte Kardinal Mario Grech, der Generalsekretär der Bischofssynode. Franziskus wird im Namen der Kirche konkrete Schuld benennen, die sie auf sich geladen hat gegen den Frieden, gegen die Schöpfung, gegen indigene Völker, gegen Migranten – und durch Missbrauch.

Am Ende wird Franziskus im Namen aller Gläubigen die Bitte um Vergebung an Gott und „an die Schwestern und Brüder der ganzen Menschheit“ richten. In meinen Augen ist dies das dritte Steinchen im Mosaik neuer Glaubwürdigkeit, das mir ein Papst einsetzt – gegen den himmelschreienden Vertrauensverlust.

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