7 Momente aus 7 TagenStraßennamen

Der Wochenrückblick

In Würzburg wurde der Kardinal-Faulhaber-Platz in Theaterplatz umbenannt. Normalerweise wäre das keine große Meldung wert, doch ich komme ins Grübeln, als ich davon erfahre. Ich bin in Würzburg geboren, habe dort meine Kindheit verbracht. Auf dem Weg zur Bushaltestelle bin ich unzählige Male über den Kardinal-Faulhaber-Platz gelaufen. Dass der in der Zeit des Nationalsozialismus eine sehr umstrittene Figur war, wusste ich damals noch nicht. Grundsätzlich ist es wahrscheinlich keine schlechte Idee, Straßennamen allgemein zu halten, um niemanden postum zu ehren, dessen dunkle Seiten man vielleicht nicht kennt. Und trotzdem fühlt es sich seltsam an, dass der Platz, der so lange nach dem eng mit Würzburg verbundenen Faulhaber benannt war, jetzt ein ganz generischer Theaterplatz sein soll. In Gedanken steige ich ein letztes Mal vom Kardinal-Faulhaber-Platz aus in den Bus. Ein Wochenrückblick in sieben Stationen.

1 | Russland. Auch heute geraten Geistliche in die Mühlen der Politik: Weil er angeblich gegen Aufenthaltsbestimmungen verstoßen hat, wurde der deutsche Pfarrer Michael Schwarzkopf in Sankt Petersburg festgenommen und soll wohl abgeschoben werden. Seit Beginn der Invasion werden immer wieder Geistliche verhaftet, die sich weigern, das Narrativ vom gottgewollten Krieg zu stützen.

2 | Israel. Die einen werden ausgewiesen, die anderen bleiben – auch unter Beschuss. Die Mönche des Benediktinerklosters am See Genezareth haben trotz täglicher Raketenangriffe in der Region nicht vor, sich evakuieren zu lassen. „Zu gehen ist keine Option“, sagte Prior Pater Basilius Schiel der Welt. Das Kloster sei auch eine „Anlaufstelle für Juden und Muslime, die guten Willens sind, wieder aufeinander zuzugehen“.

3 | Estland. Das Benediktinerpriorat am See Genezareth wurde 1939 gegründet, noch länger – nämlich ziemlich genau ein Jahrhundert – hat die katholische Kirche in Estland darauf gewartet, dass die Hauptstadt Tallinn zum Bischofssitz erhoben wird. Jetzt ist es so weit.

4 | Belgien. Auch in anderen Bereichen laufen die Uhren im Vatikan für einige zu langsam. Bei seiner Reise ins belgische Löwen sprach Papst Franziskus über die Rolle der Frau als „Tochter, Schwester und Mutter“ im Volk Gottes. In feministischen Kreisen stieß die Rede auf harte Kritik: Franziskus reduziere Frauen auf Ehefrauen und Mütter, statt sie den Männern gleichzustellen. Auf der Rückreise ging der Papst auf die Vorwürfe ein und betonte, dass er die Rolle der Frau nicht herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: „Die weibliche Mystik ist wichtiger als das Amt der Männer.“

5 | USA (1). Nicht dafür bekannt, auf Kritik einzugehen, ist Donald Trump. Der republikanische Präsidentschaftskandidat hat dieser Tage über die sozialen Medien das Michaelsgebet verbreitet, das auf Papst Leo XIII. zurückgeht. Wegen der teils martialischen Sprache („Stürze die bösen Geister, die zum Verderben der Seelen in der Welt umherwandern, in die Hölle hinab.“) wurde der Post als Verschärfung des Wahlkampfs gewertet.

6 | USA (2). Während Trump einen Papst zitiert, schlägt die demokratische Kandidatin eine Einladung der Kirche aus. Kamala Harris sagte überraschend ihre Teilnahme beim traditionellen „Al-Smith-Dinner“ der Erzdiözese New York ab. Auch das war wohl eine strategische Entscheidung: Harris konzentriert sich im Wahlkampf vor allem auf die unentschiedenen Swing States.

7 | Deutschland. Wenn jeder nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, kann Gesellschaft nicht funktionieren, hat die Kulturforscherin und Friedenspreisträgerin Aleida Assmann kritisiert. In einer auf individuelle Leistung getrimmten Welt sei den Menschen der Gemeinsinn „systematisch abtrainiert“ worden, beklagte sie in der Zeitschrift Publik Forum.

Auch deshalb ist es gut, die Erinnerung an Menschen wach zu halten, die sich selbstlos für andere einsetzen. Wenn ich als Kind vom Kardinal-Faulhaber-Platz aus nachhause gefahren bin, stieg ich an der Bonhoeffer-Straße aus.

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