Kaum zu glauben! Da macht ein schmaler Band von Elke Heidenreich (Hanser, 112 S., 20 €) über das Altern Furore, ist bereits in der 9. Auflage erschienen und hält sich auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste. Die Achtzigjährige versteht es gekonnt, die Leserinnen und Leser an ihren locker aneinandergefügten Gedanken so teilhaben zu lassen, dass diese sich schmunzelnd oder nachdenklich mit ihren eigenen Erfahrungen wiederfinden. Ihre Ehrlichkeit und ihre Sprache, die kein Tabu scheut, tun ein Übriges, um die Lektüre zu einem „ernsthaften Vergnügen“ zu machen.
Elke Heidenreich ist mit ihrem Buch nicht allein. Etliche Autorinnen und Autoren beschäftigen sich derzeit mit dieser Lebensphase, und zwar aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Dass dabei die Rückblicke und Erinnerungen einen breiten Raum einnehmen, verwundert nicht, ist es doch ein Kennzeichen des Alters, dass Vergangenes in den Vordergrund rückt, weil der Blick nach vorn auf einen engeren Horizont stößt. Das Thema „Vergänglichkeit“ gewinnt an Bedeutung, die Grenze der Lebenszeit, der Tod. Dennoch – und das machen viele Autorinnen und Autoren deutlich – darf das Alter auch als eigenständiger Lebensabschnitt mit Reichtum an Einsichten und Möglichkeiten nicht übersehen werden.
Margot Käßmann (bene!, 192 S., 22 €), die bekannte Bischöfin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, deutet schon im Titel an, was sie Großmüttern und Großvätern ans Herz legen möchte: Es ist „kostbare Zeit“, die sie mit ihren Enkelkindern verbringen dürfen.
Den Hauptteil des Buches bildet der Gang durch das Kirchenjahr. Von Advent bis zum Ewigkeitssonntag im November macht Margot Käßmann konkrete Gestaltungsvorschläge etwa für Nikolaus und Weihnachten. Sie schreibt über Engel und den Jahreswechsel, über das Erzählen von Märchen, auch über Fastnacht, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten, Erntedank und den Martinstag. Sie betont die Bedeutung der Taufe, und wie wichtig es ist, Enkelkindern vorzulesen. Als Großmutter von sieben Enkeln schreibt die 1958 geborene Käßmann aus reicher Erfahrung.
Albert von Schirnding (C.H. Beck, 176 S., 22 €) hängt Gedanken an Erlebtes und Gelesenes nach. Dass er, Jahrgang 1935, sich als Essayist und Literaturkritiker einen Namen gemacht hat, prägt seine Erinnerungen. Denn nur zu Beginn und im Schlussteil gibt der Autor Persönliches preis. Überwiegend führt er die Lesenden durch Werke der Literatur und Musik, an die er sich nachhaltig erinnert und die er – treu seinem Metier – analysiert. Dabei sind für ihn Thomas Mann und Werner Bergengruen besonders markante Beispiele. Da er als Gymnasiallehrer alte Sprachen unterrichtet hat, verwundert es nicht, dass auch Homer und die Odyssee ihm nach wie vor bedeutsam erscheinen. So denkt er nach über Kairos und Chronos, über das Phänomen „Zeit“, und darüber, dass das meiste, was geschrieben wird, entbehrlich ist. Vierzehn Begegnungen mit Menschen schildert er nachdenklich, liebevoll. Aber Albert von Schirnding weicht auch den brisanten Themen des Alterns nicht aus. Im Schlussteil des Buches schreibt er über „die letzte Wegstrecke“, das Lebensende und den Tod.
Ist Altwerden eine Kunst? Wunibald Müller (Herder, 160 S., 20 €), der langjährige Leiter des Recollectiohauses der Abtei Münsterschwarzach, meint: Ja. Und so entfaltet der bekannte Psychotherapeut und Seelsorger in sieben Teilen verschiedene Aspekte des Alters, wobei er immer wieder betont, wie wichtig es ist, das Altsein anzunehmen und als eigenständige Lebensphase mit neuen Ideen zu gestalten. Altwerden ist zwar die Kunst des Loslassens, aber das Alter birgt dennoch eine neue Lebensqualität. Im Alter ist es möglich – wenn auch in begrenztem Rahmen – Versäumtes nachzuholen, zugleich authentischer und gelassener zu werden. Man kann wieder staunen wie die Kinder, und dankbar sein für scheinbar Kleines.
Müller verschweigt nicht, dass im Alter Einsamkeit zum Problem werden kann, sehnen wir uns doch alle nach Liebe und Geborgenheit. Der Blick geht nun mehr nach innen statt nach außen. Wiederholt zitiert der Autor C. G. Jung als Gewährsmann für diesen Blick und darüber hinaus für die Offenheit für das Transzendente, das Geheimnis des Lebens. Im Rückblick zu bedauern, was wir falsch gemacht oder versäumt haben, hat für Müller „heilende Kraft“.
Das Schlusskapitel wendet sich ausdrücklich dem Tod zu, der zwar auch schon vor dem Alter Thema unseres Nachdenkens sein sollte, weil er uns jederzeit ereilen kann. Das heißt aber nicht, dass wir ihn nur schicksalhaft erwarten müssten. Vielmehr können wir ihn, wenn wir ihn nicht verdrängen, bewusst als Ziel und Erfüllung unseres Lebens vor Augen haben. Die sich aufdrängende Frage, ob es nach dem Tod noch etwas gibt, beantwortet Müller sensibel. Da ist einmal das, was von uns nach dem Tod noch weiterwirkt, so dass wir nicht so schnell vergessen werden. Aber ob es ein Leben nach dem Tod gibt, da bekennt der Autor, dass er gespalten ist zwischen einer Seite, die sich das nicht vorstellen kann, und der Zuversicht, dass wir nicht aus Gottes Liebe herausfallen werden.
Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Überblick das Buch über das Älterwerden des 1960 geborenen Priesters Thomas Frings (Herder, 160 S., 20 €), der mit seiner Amtsniederlegung 2016 für Aufsehen sorgte. Umrahmt von biographischen Erinnerungen und einem Rückblick auf seine Biographie, denkt er grundsätzlich über das letzte Drittel des Lebens nach. Frings wünscht sich, dass die Älteren den jüngeren Generationen nicht Lehr-, sondern Lebemeister sind. Anschaulich und tiefsinnig beschreibt er, wie es gelingen kann, das Alter anzunehmen, vieles loszulassen und sich dennoch an dem zu freuen, was noch möglich ist. Der Tod gehört zum Leben, auch wenn er unweigerlich dessen Ende bedeutet. Ein ganzes Kapitel widmet Frings der Spiritualität, die er klar von Religion abgrenzt und deren Stärke er in der Kraft der Zeichen sieht. Jedes der sechs Kapitel schließt er mit Anregungen zum Weiterdenken ab.