Shell-Jugendstudie vorgestelltPragmatisch, positiv, areligiös

Trotz Kriegsangst blicken Jugendliche heute hoffnungsvoll in die Zukunft. Der Gottesglaube nimmt aber weiter ab.

Seit 1953 messen Forschende alle vier bis fünf Jahre, wie es der Jugend in Deutschland geht. Für die aktuelle Shell-Jugendstudie wurden mehr als 2500 junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren interviewt. Die Erhebung fand in den ersten drei Monaten des Jahres statt, jetzt wurden die – teilweise sehr überraschenden – Ergebnisse veröffentlicht.

Wenig erstaunlich ist zunächst, dass eine deutliche Mehrheit der Jugendlichen sich davor fürchtet, direkt einen Krieg zu erleben. Für rund 81 Prozent ist dies die größte Sorge, im Jahr 2019 waren es 46 Prozent. Diese Furcht haben die jungen Menschen sicherlich mit den Älteren gemeinsam. Auf Platz zwei rangiert mit 67 Prozent die Angst vor Armut (2019: 52 Prozent). Platz drei teilen sich mit jeweils 64 Prozent die Sorge vor Umweltverschmutzung (2019: 71 Prozent) sowie die Angst vor einer wachsenden Feindseligkeit zwischen den Menschen (2019: 56 Prozent).

Trotz dieser Zukunftsängste – und das kommt eher unerwartet – bleiben junge Menschen mehrheitlich (55 Prozent) zuversichtlich. 75 Prozent sind mit der Demokratie „eher“ oder sogar „sehr“ zufrieden. Auch sind sie laut Umfrage politisch engagierter als noch vor fünf Jahren. 51 Prozent informieren sich demnach aktiv über politisches Geschehen (2019: 36 Prozent).

Dies zeige, dass sich ein Großteil der Jugendlichen aktiv mit Krisen und deren Konsequenzen auseinandersetze, sich aber nicht entmutigen lasse, so die Autoren der Studie. „Die große Mehrheit der Jugendlichen steht positiv zu Staat und Gesellschaft und sieht für sich große Zukunftschancen. Das für den deutschen Sozialstaat zentrale Leistungs- und Gerechtigkeitsversprechen sowie das Vertrauen in den Fortschritt sind aus ihrer Sicht weitestgehend intakt.“

In einem Interview mit Zeit online nimmt einer der Forschenden noch ausführlicher Stellung zu diesem Punkt. „Wir hatten auch nicht erwartet, dass die Jugendlichen so positiv in die Zukunft blicken – sogar positiver als bei der letzten Erhebung 2019“, so der Bielefelder Politikwissenschaftler Mathias Albert, Hauptautor der Studie. Mit der Corona-Pandemie sowie den Kriegen in der Ukraine sei das Aufwachsen durch gleich mehrere schwere Krisen geprägt gewesen. „Es gab einen äußeren Schock nach dem anderen. Und dann so ein Ergebnis. Das ist schon ein Knaller!“

Doch lohnt auch hier ein genauerer Blick. Wie Mathias Albert erläutert, gilt die positive Grundstimmung bei vielen jungen Leuten vor allem der gesellschaftlichen Ordnung insgesamt. „Die Jugendlichen haben zwar Lockdowns erlebt und konnten ihre Freunde über längere Zeit nicht sehen, zudem haben die Bildungseinrichtungen keine brillante Figur abgegeben während der Pandemie. Aber das ist trotzdem die erste Generation seit dem Zweiten Weltkrieg, die live erlebt, dass die Gesellschaft in relativ überschaubarer Zeit durch eine Megakrise gekommen ist ... Diese Generation hat ein hohes Zutrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Gesellschaft.“ Um ihre persönliche Zukunft machen sich Jugendliche indes durchaus Sorgen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen (52 Prozent) erwarten für sich selber eine gute Zukunft. Das ist der zweitniedrigste Wert, der in dieser Rubrik jemals ermittelt wurde.

Religion spielt selbst bei getauften Jugendlichen eine immer geringere Rolle. Nur noch 38 Prozent der jungen Katholiken geben an, dass ihnen der Gottesglaube wichtig sei; 2002 waren es noch 51 Prozent. Auch bei Protestanten wird der Gottesglaube zunehmend unwichtiger (von 38 auf 35 Prozent).

Nur noch die Hälfte aller 12- bis 25-Jährigen gehört demnach in Deutschland einer der beiden großen Kirchen an; im Jahr 2002 waren es noch zwei Drittel. Der Anteil muslimischer Jugendlicher stieg in diesem Zeitraum stetig an (von 4 auf 12 Prozent).

Auch im Alltag verliert der Glaube für christliche Jugendliche an Bedeutung. Von allen Befragten beten 18 Prozent mindestens einmal in der Woche, 31 Prozent seltener. 49 Prozent beten laut eigener Aussage nie. Bei der Frage nach dem Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen bringen Jugendliche den Kirchen das größte Misstrauen entgegen (2,4 Punkte vom Höchstwert 5). So vertrauen sie etwa der Bundesregierung, der EU, Banken und auch den Parteien mehr als den Kirchen.

Bei muslimischen Jugendlichen ist die Relevanz des Gottesglaubens laut Studie dagegen deutlich höher als bei katholischen oder evangelischen Jugendlichen; sie stieg innerhalb von 20 Jahren von 72 auf 79 Prozent. Muslimische Jugendliche seien „nicht nur ‚glaubensfest‘, sie integrieren ihren Glauben auch stärker in ihren Alltag“, erklären die Studienautoren. 37 Prozent der jungen Muslime beten demnach ein- oder mehrmals am Tag, weitere 26 Prozent zumindest ein- oder mehrmals in der Woche. Nur eine Minderheit von 13 Prozent betet nach eigener Auskunft nie.

Erstellt mit Material der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die zentralen Ergebnisse der Jugendstudie 2024 sind abrufbar unter www.shell.de

 

Christ in der Gegenwart im Abo

Unsere Wochenzeitschrift bietet Ihnen Nachrichten und Berichte über aktuelle Ereignisse aus christlicher Perspektive, Analysen geistiger, politischer und religiöser Entwicklungen sowie Anregungen für ein modernes christliches Leben.

Zum Kennenlernen: 4 Wochen gratis

Jetzt testen