Die Mehrheit der Befragten schaut trotz vielfältiger Krisen positiv auf die Möglichkeiten, die Gesellschaft und Staat ihnen bieten. Dieser optimistische Blick auf das Ganze richtet sich allerdings nicht in gleichem Maße auf das persönliche Leben. Der Anteil der Jugendlichen, der hoffnungsvoll in die eigene Zukunft schaut, ist seit der letzten Studie deutlich gesunken. Schon hier zeigt sich also, dass die Befragung eine differenzierte Betrachtung verdient.
Die Relevanz des Gottesglaubens hat bei jungen Menschen, die römisch- katholisch sind, in den letzten 20 Jahren kontinuierlich abgenommen. Allgemeine Trends wie Säkularisierung und Pluralisierung gehen auch an dieser Generation nicht spurlos vorüber. Vor allem aber zeigt die Studie, dass die Befragten der Kirche so misstrauen wie kaum einer anderen Institution. Die Gründe, wie patriarchale Strukturen, Misogynie, das Unterlaufen von demokratischen Mindeststandards, Ignoranz gegenüber sexualwissenschaftlichen Erkenntnissen etc., sind bekannt. In der Jugendpastoral erleben viele (ehrenamtlich) Engagierte diese Spannung zwischen Institution und Lebenswelten junger Menschen schon seit langem und setzen sich zu Recht für Reformen ein.
Die Studie lässt auch erkennen, dass kirchliche Akteurinnen und Akteure von jungen Menschen lernen können, sich als Teil einer spätmodernen und demokratisch verfassten Gesellschaft zu engagieren. Denn die große Mehrheit der Befragten lebt, anerkennt und respektiert die Vielfalt der Menschen und verhält sich in ihrem Leben ausgesprochen tolerant. Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst, gegenüber anderen Menschen und der Umwelt sind im Wertekanon dieser Generation fest verankert.
Kirchliche Unfähigkeit, mit postmodernen Pluralitätsanforderungen umzugehen, steht im Widerspruch zu dieser Werteorientierung. Auch hierin liegt sicher eine Ursache für den Relevanzverlust von Kirche. Umso bedeutender ist, dass junge Menschen in kirchlichen Jugendverbänden gesellschaftliche und kirchliche Normen hinterfragen, selbstständig denken und ein gestaltender, mündiger Teil einer demokratischen Gesellschaft sein können.
Leider zeigt die Studie auch, dass Ängste zunehmen. Neben Krieg oder Klimawandel steht die Sorge vor Armut im Fokus junger Menschen. Etliche befürchten eine sich vertiefende gesellschaftliche Spaltung. Glaubwürdig kann Kirche werden, wenn sie die seit Jahren verfestigte Kinderarmut und die Verknüpfung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg wirksam bekämpfen hilft. Insbesondere die Jugendsozialarbeit darf daher nicht vernachlässigt werden.
Drei Folgerungen ergeben sich: Zunächst sind junge Menschen prinzipiell für christliche Lebensdeutung ansprechbar, insofern sich in ihrer Lebenspraxis ein spezifischer spätmoderner Wertekanon zeigt. Damit Glaubenskommunikation gelingt, müssen Verantwortliche jedoch Räume und Personen zur Verfügung stellen, die für junge Menschen glaubwürdig und lebensdienlich sind. Vor allem aber ist angesichts der Studie den vielen Engagierten in der Jugendpastoral zu danken, die trotz des institutionellen Vertrauensverlustes mit hohem persönlichem Einsatz Freude und Hoffnung, Trauer und Angst junger Menschen teilen und im Licht des Evangeliums zu deuten versuchen.