Wieder eine Wahl. Und wieder mit einem Sieg des Populismus. Mit dem klaren Sieg Donald Trumps in den USA wird deutlich, dass es unterschiedliche Ursachen geben mag, aber sich derzeit in weiten Teilen der westlichen Welt der populistisch-konservative, teils reaktionäre Politikstil Bahn bricht. Medial befeuerte Zuspitzung auf eine zentrale Persönlichkeit, verbunden mit einer Tonalität nationaler Stärke zum Preis der Degradierung anderer dürfte allgemein Kennzeichen der letzten Wahlen gewesen sein.
Wer denkt, dass es sich hier nur um ein amerikanisches Phänomen handelt, übersieht, dass wir nach quälenden Jahren mühsamer Ampel-Regierung nächstes Jahr vor einer Bundestagswahl stehen. Auch wir werden nicht von selbst davor gefeit sein, in einen gleichen Modus zu verfallen. Umso mehr wird es darauf ankommen, die Triggerpunkte der Gesellschaft zu benennen und sich sachliche Debatten zuzumuten, statt eine Show der Narzissten zu hypen.
Die Kirchen werden auch hier mittendrin stehen. Aber ihre Ausgangsbedingungen sind andere als in Amerika. Die Kandidatinnen und Kandidaten stammen immer weniger aus christlich geprägten Milieus. Hinzu kommt der Relevanzverlust der Kirchen. Die Distanz zu den Kirchen wird größer. Zugleich werden sich die gesellschaftlichen Polarisierungen auch in den Pfarreien und Verbänden abbilden. Damit steigt die Sehnsucht, sich aus Angst vor dem innergemeindlichen Konflikt möglichst herauszuhalten. Dies würde aber nur dazu führen, dass ein weiterer gesellschaftlicher Player verstummt. Aus dem Osten der Republik lässt sich lernen, dass auch eine „kirchliche Kampagne“ gegen extremistische Positionen die Mitte stärkt, aber populismusaffine Christinnen und Christen nicht vom Kreuz bei genau jenen Parteien abhält.
Die Kirchen sollten deswegen Foren organisieren, auf denen das vorurteilsfreie Hören des Arguments möglich ist und die Lüge entlarvt wird. Menschen mit einem christlichen Menschenbild müssen gestärkt werden, sich in politische Prozesse einer Parteiendemokratie einzubringen. Innerkirchliche Prozesse zur Strukturanpassung sind wichtig. Aber sie müssen begrenzt sein, damit Ressourcen von Christen frei werden, sich in der Demokratie zu engagieren. In öffentlichen Positionierungen muss die Kirche dabei berücksichtigen, dass politisch Verantwortliche zwar den Mut zum verantwortungsvollen Handeln brauchen, aber angesichts von Stimmungen der Bevölkerung auch immer einen sensus für die Mehrheiten des Landes berücksichtigen sollten. Damit die Kirchen ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen haben, sollten sie den verstärkten Austausch suchen.
Die Fragen nach Wirtschaft und Migration werden die Stimmung im Land bestimmen. Die Erfahrungen der Corona- Pandemie und Sehnsucht nach Frieden werden unterschwellig mitschwingen. Dabei ist schon heute zu vermuten, dass der Wahlkampf so viele Wunden reißen wird, dass danach die Kompetenz der Kirchen als Versöhner gefragt sein wird. Hierauf den Akzent zu setzen, dürfte Polarisierungen abbauen und tragfähig für eine pluralistische Gesellschaft der kommenden Jahre sein.