Sexy, aber auch spirituell“, so würde ich heute vielleicht kontern, wenn man mich nach der Musik von Taylor Swift fragt. Ein Buch hat mir diese vermutlich wenig bekannte Seite der US-Sängerin nähergebracht. „Ihr Glaube ist die Basis für ihre Werte, insbesondere für Gerechtigkeit, Toleranz und Solidarität mit den Verletzlichen“, ist in dem Band Highway to Heaven zu lesen. Die bekennende Christin, mit deren Songs etwa zuletzt in Heidelberg schon Gottesdienste gestaltet wurden, greift immer wieder religiöse Themen auf. Die 14-fache Grammy-Gewinnerin singt etwa davon, wie sie zu Gott betet, weil sie einen verpassten Kuss nachholen möchte, oder von verzweifelten Menschen, die zum Glauben finden. Swift thematisiert Ungerechtigkeit und wendet sich gegen Scheinheiligkeit. Auch den Konflikt zwischen Sex und Moral spricht sie vor dem Hintergrund ihrer strengen religiösen Erziehung an: wenn das schlechte Gewissen bleibt nach dem Sieg von Lust und Leidenschaft.
Die Songs von Taylor Swift gehören zu jenen 33 Liedern, die der Publizist und Theologe Uwe Birnstein und der Sozialwissenschaftler Volker Eichener für ihr gemeinsames Buch analysiert haben. In ihren launigen Essays kommt das Autoren-Duo zu der Schlussfolgerung, dass Rock, Pop und Metal durchaus etwas mit Glauben und Spiritualität zu tun haben. Pop- und Rocksongs hätten demnach das Potenzial, die Botschaft von Toleranz, Nächstenliebe und Menschlichkeit zu verbreiten. „Denn über die Musik mag sie den Weg in die Herzen der Menschen vielleicht leichter finden als durch eine spröde Predigt.“
Spröde ist nahezu nichts in jenen Songs, die die beiden Musikliebhaber vor dem Hintergrund der christlich-jüdischen Tradition unter die Lupe nehmen. Die Bandbreite reicht von internationalen Stars wie AC/DC, Led Zeppelin, Bruce Springsteen, Madonna, Eric Clapton und U2 bis zu Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg. In den Songs würden Zweifel, die Suche nach dem Sinn des Lebens, die Theodizeeproblematik thematisiert – und Kirchenkritik. „Die meisten Pop- und Rockmusikerinnen und -musiker entsprechen schon von ihrem Outfit und erst recht von ihrem Lebenswandel her nicht gerade dem Bild, das man von frommen Kirchgängern hat.“
Die Gottes- und Jesusbilder seien oft sehr persönlich, so die Autoren. Auch die jeweiligen nicht immer gradlinig verlaufenden Glaubensbiografien seien so vielfältig, wie die Interpreten und ihre Songs selbst. „Viele der Pop- und Rockmusikerinnen und -musiker hatten eine strenge religiöse Erziehung hinter sich, in der konservative Moralvorstellungen gelehrt wurden, gegen die sie, die kreativen Geister, rebellierten.“
Dieser Gewissenskonflikt vereint Generationen von Musikern – Taylor Swift kennt ihn ebenso wie die Rolling Stones. 2023 erschien deren 24. Studioalbum Hackney Diamonds. Zusammen mit Lady Gaga ist die Single-Auskoppelung Sweet Sounds of Heaven entstanden, die an ein „sehr persönliches musikalisches Gebet“ erinnert: „Das Gebet, so rockig es auch ist, enthält durchaus konventionelle Lobpreisungen und Bitten. Vater und Sohn sollen gesegnet werden, Frauen und Kinder sollen nicht hungernd zu Bett gehen.“
Das Autoren-Duo erzählt die Geschichten hinter Songs wie diesem. Viele waren Nummer-eins-Hits oder wurden mit Musikpreisen ausgezeichnet. Die meisten der vorgestellten Songs lassen sich auf der autoreneigenen Internetseite von Uwe Birnstein anhören oder nachlesen. Einige Liedtexte muten zugegebenermaßen sicherlich nicht gottesdiensttauglich an, weil sie für manche Geschmäcker zu kirchen- oder religionskritisch oder gar anstößig sind. Doch Birnstein und Eichener beweisen mit ihrer musikalischen Botschaft: Religion und Rebellion rocken!