Die Politik präsentiert sich momentan in einer Mischung aus Strauß-Operette und Jesus-Gleichnis, die man unterhaltsam nennen könnte, hätte sie nicht konkrete wirtschaftliche Auswirkungen. Das Gleichnis, das in den Sinn kommt, ist das von den klugen und den törichten Jungfrauen. Die klugen Jungfrauen haben daran gedacht, Öl für die Lampen aufzubewahren, um dem Bräutigam entgegenzugehen. Der kommt bekanntlich zu einem unerwarteten Zeitpunkt. Die törichten Jungfrauen taten das nicht.
Jetzt soll möglichst schon in Kürze neu gewählt werden. Die Verfassung gibt dazu insgesamt 81 Tage Zeit. In dieser Periode sollte auch die törichste Jungfrau in der Lage sein, Öl bzw. Papier für die Wahlunterlagen zu besorgen. Den neuen Bräutigam – also die neue Regierung – sollte man demnach stets erwarten. Denn auch das ist Demokratie: Wenn eine Regierung nicht funktioniert, wählt man eben eine andere. Der Vorgang ist ärgerlich und kostet Mühe, Steuergelder und Zeit, ist aber in jeder Legislaturperiode von vornherein als Möglichkeit mit eingepreist. Andere Länder schaffen es ja auch, ohne gleich unterzugehen. So weit, so normal.
Leider ebenso normal ist der fast schon operettenhafte Umgang der Beteiligten mit der Situation. Wehklagen, Taktieren, an die staatspolitische Verantwortung appellieren und im selben Moment schon den Wahlkampf starten: Immerzu meint man im Hintergrund einen Walzertakt zu hören, zu dem sich die Protagonisten in Vierteldrehungen bewegen. Während draußen in der Welt die politischen Stürme tosen, ist es nachvollziehbar heimelig, wenn die Berichterstattung das eigene Land für ein paar Tage zum Mittelpunkt des Weltgeschehens macht. Doch gilt es auch hier, aufmerksam und bereit zu bleiben. Der Berliner Walzerschritt sollte schnell vergehen und eine neue Regierung sich dem Passgang der Weltgeschichte widmen. Panik aber ist unangemessen.
Betont nüchtern blieb allein der Bundespräsident: „Das Ende einer Koalition ist nicht das Ende der Welt.“ Recht hat er. In Erinnerung kommt ein Bonmot aus dem alten Österreich. Da antwortet der Soldat auf die Frage, wie denn das Schlachtenglück verlaufe, schelmisch: „Herr General, die Lage ist hoffnungslos, aber net ernst.“