TheologieMarkenstreit ums Christliche

Manch kontroverser Gedanke vor allem eines: Ausdruck von lebendiger Diskussion.

In der Auseinandersetzung um das neue Buch des Fundamentaltheologen Magnus Striet zeigt sich, wer bereit ist, die Gegenwartsfrage des Christentums ernstlich in Angriff zu nehmen.

Das Bemühen, den Kern des Glaubens auf den Punkt zu bringen, begleitet das Christentum seit frühester Zeit. Auch das Konzil von Nicäa, dessen 1700. Jubiläum kommendes Jahr bevorsteht, war nichts anderes als ein Versuch, die kursierenden Überzeugungen über die Bedeutung von Jesu Leben und Tod einzufangen. Viele Jahrhunderte später stellte der Philosoph Ludwig Feuerbach die zentrale Schrift seiner Religionskritik unter den Titel Das Wesen des Christentums (1841). Er wollte das „eigentlich Christliche“ aus den Verfälschungen der Geschichte und der Kirche herauslösen. Zum Verstummen gebracht hat er damit weder das Christentum noch das Ringen um dessen Inhalte.

Sehr viel leichter fiel und fällt es offenbar konservativen Glaubenshütern, zu definieren, was dem Christentum entspricht – und vor allem: was nicht. So war dieser Tage einmal mehr das Lamento zu lesen, an deutschen Theologie-Lehrstühlen werde die systematische Zersetzung des Glaubens alimentiert. Anlass war das neue Buch des Freiburger Fundamentaltheologen Magnus Striet Alte Formeln – lebendiger Glaube oder vielmehr ein Interview des Onlineportals katholisch.de mit dem Autor.

Zugegeben: Manche Passage des Interviews reizt zum Widerspruch. Etwa wenn Striet sagt, von der klassischen Lehre, dass Gott stellvertretend für die Menschen am Kreuz sühnen musste, verabschiede er sich „ganz entschieden“. So bezichtigt ihn Tagespost-Chefredakteur Guido Horst indirekt der Häresie des Arianismus (Leugnung der Gottheit Jesu) und ist sich sicher: „Jedes weltliche Unternehmen würde über kurz oder lang pleitegehen, wenn es den Kern seiner Marke und damit sich selbst so entschlossen zersetzt.“ Bestätigt sieht er seine These im Zustand der deutschen Kirche, der der „missionarische Elan“ solange ausgetrieben worden sei, „bis nur noch eine personalintensive Struktur ohne Herz und Fleisch übrig blieb“.

Der Vorwurf verkennt jedoch, dass Striets Buch dem ebenso persönlichen wie fachlichen Herzensanliegen entspringt, den christlichen Glauben in die Gegenwart zu retten. Was nämlich, wenn dessen Markenkern gar kein klar zu definierender Inhalt ist, sondern ein andauerndes Suchen? Sind doch selbst zentrale Glaubenssätze wie der von der leiblichen Auferstehung im Zweikampf mit dem rationalen Zweifel längst angezählt – und das nicht nur unter Feuerbach-getauften Theologinnen und Theologen, sondern auch bei vielen „einfachen“ Gläubigen. Striet geht es um eine „lebendige Auseinandersetzung“ mit den tradierten Glaubensformeln, ohne dem Zweifel auszuweichen. Das geht nicht ohne Enttäuschungen, erschließt aber auch neue Plausibilitäten.

Schützenhilfe bekam Striet nun vom Freiburger Dogmatiker Helmut Hoping. Striet wende sich gegen eine verengte Interpretation des Todes Jesu, halte aber klar daran fest, dass „Gottes Sohn für uns und zu unserem Heil Mensch wurde“. In seinem Buch fänden sich zwar auch Positionen, denen er entschieden widerspreche – „aber mit Argumenten, was anspruchsvoller ist, als ihn zum neuen Erzhäretiker zu stempeln“. Dass ausgerechnet Hoping dem angegriffenen Kollegen zur Seite springt, mit dem er schon manch erbitterten Streit geführt hat, ist ein ermutigendes Signal für die Lebendigkeit des theologischen Diskurses. Denn mit intellektueller Abschottung, wie sie aus wohlfeilen Häresie-Vorwürfen spricht, ist die Marke „Christentum“ in jedem Fall schlecht beraten.

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