Adventsmeditation IIIZum Verzehr bestimmt

Von wegen ruhig und besinnlich: Wer adventlich leben will, brennt für Gottes neue Welt.

Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer.

(Dtn 4,24)

Ich rücke näher ans Kaminfeuer, starre hinein und sauge die wohlige Wärme in mir auf. Die Flammen halten meinen Blick. Sie ziehen mich hinein in das wundersame Schauspiel vor meinen Augen. Wie ein Herzschlag pulsiert unablässig die leuchtend rote Glut entlang der Maserung des brennenden Holzes. Heißes, rotflüssiges Harz tropft wie Blut aus den Rissen der verkohlten Rinde. Ich denke an Christus, dessen Blut über das Holz des Kreuzes quoll. Ich denke aber auch daran, wie wir IHN im jährlichen Osterfeuer eindrucksvoll als Licht vom Lichte feiern.

Schon in den frühen Schriften der Bibel stoßen wir auf eine Fülle von Textstellen, die GoTT in SEINER Gewaltigkeit als ein verzehrendes Feuer beschreiben. Sei es im Buch Exodus:

Den Augen der Israeliten stellte sich

die Herrlichkeit des Herrn dar,

wie ein verzehrendes Feuer

auf dem Gipfel des Berges.

(Ex 24,17),

bei Jesaja:

Denn seht, der Herr kommt im Feuer,

dem Sturmwind gleich sind seine Wagen, um in

Glut seinen Zorn auszulassen und sein Schelten

in lodernden Flammen.

(Jes 66,15),

oder in vielen anderen Schriften. Sie sind uns vertraut und wir verbuchen diese Bilder ohne Aufregung als altmodisches Gottesbild. Doch wenn Jesus im Lukasevangelium ruft: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, dass es schon entfacht wäre!“ (Lk 12,49), bekommt das Bild einen anderen Geschmack. Es wirkt zutiefst verstörend, besonders wenn wir an die verheerenden Feuersbrünste denken, die auf der Welt wüten, ausgelöst durch Naturkatastrophen, durch Brandstifter, durch Kriege.

Diese Worte erzeugen ein tiefes Befremden in uns, weil sie nicht mit der Vorstellung zusammenpassen, die wir von Jesus so gerne haben. Die Bilder sind rabiat undiplomatisch, brachial. Kein milder Liebreiz. Dennoch verspüre ich deutlich den starken Sog dieser kraftvollen Fremde, in die mich diese Wortbilder mit hineinziehen. Sie versetzen in mir eine tiefe adventliche Ungeduld in Schwingung, die mich im Angesicht unserer irren Welt so oft erfasst.

So steh ich heute am Feuer und bete einmal mehr: Komm Du nur! Maranatha! Komm, säume nicht! Komm, lass den leblosen hochglanzpapierenen Klerikalismus in Flammen aufgehen! Komm, und vertilge die Gier, den Neid der Konsumwelt! Komm, und friss den Hochmut, die Lust an Gewalt und Quälerei! Komm, und verbrenne die Gottvergessenheit! Verzehre das alles rückstandslos, bis auf ein kleines Häufchen Asche. Zur Mahnung.

Ahnend, wissend: DEIN Feuer,

DEIN Geist sind längst da.

Wir sind gefragt.

DU brauchst keine Verzehrsempfehlung.

DU forderst uns, für DICH zu brennen,

rufst uns als DEINE Brandbeschleuniger.

 

Weitere „Fährten Gottes in der Welt“ hat Paulina Kleinsteuber in dem Buch „Libellenflug und Windgeflüster“ beschrieben (Verlag Herder, Freiburg, 192 Seiten, 22 €).

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