FilmbesprechungStern des Lebens

Sie schenkt uns Licht und Wärme: Eine arte-Dokumentation wird zum Sonnengesang auf unser Zentralgestirn.

Das große Problem an Weltraum-Dokumentationen ist, dass der menschliche Geist die wahren Dimensionen des Kosmos einfach nicht begreifen kann. Auch die klassischen Gedankenspiele, bei denen die Sonne mit einem Strandball und die Erde mit einer Murmel verglichen wird, helfen da nur bedingt weiter. In der Dokumentation Die Sonne geht man einen anderen Weg, hier darf unser zentrales Himmelsgestirn seinen unbegreiflichen Zauber behalten und wird zum „Wunder, das alles begründet“. Hauptfigur des Films ist der Brite Andy Keen, der sich selbst „Nordlichtjäger“ nennt. Während einer schweren Erkrankung lag der Fotograf lange im Krankenhaus und grübelte darüber nach, was er unbedingt noch sehen wollte. „Und da kamen mir die Nordlichter in den Sinn.“ Das Kamerateam begleitet ihn auf seiner Reise durch Lappland, immer auf der Suche nach den Himmelserscheinungen. Neben der wissenschaftlichen Erklärung für das Farbspektakel – Sonnenpartikel, die auf das Erdmagnetfeld treffen – ist dabei auch Platz für die mythische Dimension des Phänomens.

Zu Beginn besuchen die Filmmacher ein religiöses Ritual, bei dem die indigenen Einwohner Lapplands den Menschen und die Natur besingen. Allen voran „Vater Sonne“, der hier, wo es manchmal für Monate hell bleibt, als gleichberechtigtes Gegenstück zu „Mutter Erde“ gesehen wird. Doch die Natur ist nicht nur gut. Ein Eingeborener erzählt, dass er ungern draußen unterwegs ist, wenn die Polarlichter über den Himmel ziehen. Die bunten Farben sollen Kinder anlocken, die dann von düsteren Geistern entführt werden, sagt man hier. Der Nordlichtjäger Andy Keen hört dabei sehr genau zu. Er ist schon längst in den Bann der Farben geraten, und als die Kamera endlich eine prächtige Aurora borealis einfängt, kann man sich des Zaubers nicht erwehren. „Ich habe schon gesehen, wie Menschen unter den Lichtern auf und ab rennen und vor Freude schreien“, berichtet Keen. „Man kann beobachten, wie sich erwachsene Menschen für fünf Minuten in Kinder verwandeln.“

Doch das Sonnenlicht kann man nicht nur über den Himmel tanzen sehen, man kann es auch hören. In einer NASA-Forschungsstation ist es gelungen, die Vibrationen der Sonne hörbar zu machen – heraus kommt ein Geräusch, das ein bisschen nach Wind und ein bisschen nach dumpfen Walgesängen klingt. Andere Einrichtungen versuchen, die ungeheure Fusionsenergie, die im Inneren eines Sterns erzeugt wird, auf der Erde nutzbar zu machen. Oder sie erforschen mit riesigen Teleskopen die brennende Oberfläche der Sonne auf der Suche nach guten Aufnahmen von Eruptionen, bei denen Plasma weit in den Weltraum geschleudert wird. Dieses kosmische Schauspiel ist nicht nur eindrucksvoll anzusehen, es kann auch spürbare Auswirkungen auf unser Leben haben. Größere Sonnenstürme haben in der Vergangenheit immer wieder Stromnetze gestört und zu weitreichenden Ausfällen geführt. In unserer immer stärker vernetzten Welt könnte ein mächtiger Sonnenwind zur falschen Zeit zu einer Katastrophe führen. Unser Zentralgestirn bleibt damit weiterhin unberechenbar.

Nach diesem Ausflug in die Wissenschaft kommt wieder Nordlichtjäger Andy Keen zu Wort, der den Sonnenphänomenen nicht mit sachlicher Nüchternheit, sondern mit kindlichem Staunen begegnet. Mit seinem Team hat er sich inzwischen weit ins verschneite Ödland vorgewagt. Während die Filmmacher einige seiner eindrucksvollsten Fotografien einblenden, auf denen sich das Polarlicht wie ein geheimnisvoll grün leuchtender Fluss über den Himmel schlängelt, wird seine Stimme eingespielt. „Das ist magisch … Man muss es einfach erleben.“ Gut möglich, dass man die Sonne nach diesem Film tatsächlich anders sieht, anders hört – anders erlebt.

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